Ottilie budgetiert ihren Wahlkampf

Im September kandidiert Bochums Stadtkämmerin Ottilie Scholz für die SPD als Oberbürgermeisterin. Das Rad will die Verwaltungsfachfrau nicht neu erfinden. Die CDU-Konkurrenz sieht in ihr nur eine Verlegenheitskandidatin

BOCHUM taz ■ Ottilie Scholz, die Kandidatin der Bochumer SPD für die Oberbürgermeisterwahl, ist zielsicher: “Den Schlüssel fürs Rathaus habe ich mir schon besorgt“, sagt Scholz. Den Amtsschlüssel brauche sie schließlich, um auch am Wochenende arbeiten zu können: Die 55-jährige ist nicht nur SPD-Spitzenkandidatin, sondern zugleich Stadtkämmerin.

Wie sie die Kandidatur mit ihrer Arbeit als Kämmerin vereinbaren kann? Das sei einfach: „Wenn ich morgens zwei Stunden eine Pressekonferenz für den Wahlkampf mache, arbeite ich Abends zwei Stunden länger“, hat sich Scholz ausgerechnet. Und auch ihre Urlaubstage will sie allein in den Wahlkampf investieren.

Bevor Ottilie Scholz 1999 nach Bochum kam, war sie Beigeordnete und Stadtdirektorin von Castrop-Rauxel – sie ist also mehr Fachfrau für Verwaltung als für Lokalpolitk. In Bochum schaffte sie es immerhin, dass der aktuelle Doppelhaushalt in Höhe von 1,1 Milliarden Euro genehmigt wurde.

Doch als Kämmerin hat sie sich auch Gegner gemacht. In einem Cross-Boarder-Leasing-Geschäft verleaste sie das Bochumer Kanalnetz an einen US-Investor – gegen ein vom Bochumer Mieterverein und Attac initiiertes Bürgerbegehren. Beide Gruppen werfen Scholz vor, den Rat über die Eilbedürftigkeit des Geschäftes getäuscht und das Verfahren beschleunigt zu haben, um das Bürgerbegehren zu untergraben.

Auch Klaus Franz, Kreisvorsitzender der CDU in Bochum und stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Rat, richtet Vorwürfe an die Kämmerin: „Einen Doppelhaushalt zu machen, finde ich bedenklich – vollständig versagt hat Frau Scholz aber bei der Beteiligungsverwaltung“.

Die Grünen dagegen begeistern sich für eine Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Wolfgang Cordes, Sprecher der grünen Ratsfraktion, hat wegen ihr sogar auf eine eigenständige OB-Kandidatur für die Grünen verzichtet. Und die SPD steht ohnehin fest hinter Scholz: Auf dem SPD-Unterbezirksparteitag wurde sie mit 129 von 137 Stimmen zur OB-Kandidatin gewählt.

Die CDU sieht in Scholz nur eine Ersatzkandidatin. Und tatsächlich kam ihre Kandidatur für viele überraschend. Birgit Fischer, Nordrhein-Westfalens Ministerin für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit hatte lange als Favoritin gegolten. „Nach der Absage von Frau Fischer wird mit Ottilie Scholz jetzt die zweite Garnitur ins Rennen geschickt“, sagt Klaus Franz von der CDU. Die SPD habe anscheinend keinen parteipolitisch aktiven Kandidaten gefunden und deshalb auf eine Frau aus der Verwaltung zurückgreifen müssen.

Das Programm von Ottilie Scholz ist eher realistisch als innovativ. „Ich will das Rad nicht neu erfinden, sondern auf Bochums Stärken setzen“, sagt sie. Sie möchte die Innenstadt und den Bahnhof attraktiver zu machen, sie will dabei die Stadtteile nicht vernachlässigen und versuchen, den Bevölkerungsrückgang zu stoppen und den Wirtschaftsstandort zu stärken. Angesichts leerer Kassen und mangelnder Unterstützung durch das Land will sie sich auf bestimmte Projekte konzentrieren. Stadt und Verwaltung seien außerdem zunehmend auf die Eigeninitiative der Bürger angewiesen.

Wenn Ottilie Scholz von der Arbeit nach Hause in ihre Wohung in der Nähe des Bergbaumuseums kommt, liest sie Krimis oder kocht gerne. Doch auch hier wird sie die rationale Kämmerin in sich nicht los: „Ich bin kein übermäßiger sparsamer Mensch, aber trotzdem budgetiere ich mich selbst.“ Timo Nowack