KIRSTEN FUCHS über KLEIDER
: Platz für Plopp!, niemals für Kawumm!

Manche Weihnachtsgeschenke sind so klein, da passt nicht mal eine Bombe rein

Ich habe zu Weihnachten zwei Taschen geschenkt bekommen. Das ist ja von der Idee her gut, in Taschen kann ich was reinstecken. Ich habe so viele Taschen wie andere Frauen Schuhe. In Schuhe kann man nur Füße reinstecken. In Taschen kann man auch Füße reinstecken. Darum finde ich Taschen gut.

Die zwei neuen Taschen können subjektiv eingeteilt werden in die olle Tasche und die tolle Tasche. Objektiv ist die olle Tasche eine Handtasche und die tolle Tasche ein Rucksack.

Ich fange mal mit der ollen Tasche an, weil ich diese als Erstes geschenkt bekommen habe. Lindgrün wie der Frühling, verspielt und doch schlicht und winzig klein. In die Tasche würde nur der Lippenstift passen, den ich nicht besitze. Dann müsste ich meinen Ausweis zu Hause lassen, und sicherlich verhaftet mich ein Polizist, weil er denkt, ich könnte nur Grammpackungen Haschisch in dieser winzigen Tasche transportieren. Und ohne gültiges Dokument könnte ich nur hoffen, dass das Streifenhörnchen sich davon bestechen lässt, dass ich mir die Lippen nachziehe mit dem Lippenstift, den ich nicht besitze. Weiterhin hat die olle Tasche unten zwei fußähnliche Ausbuchtungen, sodass sie aussieht wie ein grünes Drachenbaby, dem ein Ritter den Kopf abgeschlagen hat. Zwei kurze Schlaufen sind am Lindwurm dran – Flügel.

Nach dieser präzisen Beschreibung wird die Schenkerin sicherlich ihre Gabe erkannt haben. Ich kann mich nur entschuldigen, dass ich nicht über meinen schattigen Geschmack springen kann. Lieb gemeint, aber ich werd nicht mehr schick. Wie ist nun das richtige Verhalten in solch einer Situation? Danke sagen, wie man sich auch für skurrile Geschenke von Verwandten immer nur bedankt und dann den Gürtel mit Schmetterlingsschnalle von Großtante Gudrun im Schrank verschwinden lässt? Aber Freunde sind Freunde, und Ehrlichkeit ist eine Zier und weiter kommst du ohne ihr? Vielleicht ist dieses Täschchen auch ein Test und die Freundin hofft, dass ich ihr bestätige, was sie geahnt hat: Das ist nicht so meins. Ich kann mich damit vor den Spiegel stellen und lachen. Dann habe ich gute Laune. Danke! Falls sie tatsächlich wollte, dass ich ehrlich bin, dann hat sie hier den Salat. Ich ehrlich. Tasche oll. Macht nix. Freundin lieb.

Oder wollte sie tatsächlich meinen Stil kritisieren, und ich sollte alles, was ich außerhalb der Wohnung trage, dieser kleinen Tasche anpassen?

Ach, ich bin so hin- und hergerissen, denn die zweite Tasche, die mich in meinem Stil bestätigt und deshalb von mir die tolle Tasche genannt wird, sagt ja anderes aus. Bleib so! Trag einen deftigen Rucksack auf deinem Rücken, mein Kind! Die Tasche ist von meinem Vater und sie sieht aus, als ob sie ein Leben lang mit Leberwurstbrötchen gefüllt sein wird. Das Beste ist, dass viel reinpasst: mein Ausweis, mein Reisepass, mehrere Bierflaschen, ein Buch, eine Kuh, Leberwurstbrötchen und auch die kleine Handtasche, in der der Lippenstift ist, den ich gar nicht besitze. Wenn ich die olle Tasche in mein Leben integrieren soll, dann möchte ich nächstes Jahr zu Weihnachten aber den Lippenstift zur Tasche und ein Abendkleid und eine Einladung in die Oper, und im Rucksack nehme ich die Wechselsachen mit und ziehe mich auf der Toilette in der Oper um. Gerade eben hat die Schenkerin der Tasche mich angerufen, und ich habe die Wahrheit gesagt. Sie hat gelacht und erzählt, dass sie die Tasche in einem Krempelladen gekauft und sich schlapp gelacht hat bei der Vorstellung, wie ich mit dem Täschchen unterm Arm aussehe. Ob ich denn wirklich geglaubt habe, sie habe das ernst gemeint? Nein, sage ich. Ich will ihr die Tasche lange borgen und sie will nicht, weil sie das Lindgrün zu schrill findet.

So werde ich die Tasche also nicht los. Vielleicht muss ich sie bloß in der Nähe einer Amerikanischen Botschaft stehen lassen, dann wird sie früher oder später gesprengt. Aber wahrscheinlich stellen die Jungs vom Sondereinsatzkommando fest, dass in dem Täschchen gerade mal ein „Plopp!“ drin sein könnte und kein „Kawumm!“. Ich muss sie wohl behalten.

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