Programmierter Streit um Lebenselixier

Die Türkei vereinbart regelmäßige Wasserlieferungen an Israel und tritt damit eine Diskussion über Wasser als ökonomisch verwertbaren Rohstoff los – zumal die Gewinnungsanlage am Manavgat-Fluss schon als Pilotanlage für neue Projekte gilt

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

„Einige Länder verkaufen Öl. Wir werden Wasser verkaufen.“ Dieser Vision des früheren Staatspräsidenten Turgut Özal ist die Türkei in diesen Tagen einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Nach jahrelangen Verhandlungen unterzeichneten der türkische Energieminister Zeki Cakan und der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon in der vergangenen Woche einen Vertrag, der vorsieht, dass Israel über 20 Jahre lang jedes Jahr 50 Millionen Kubikmeter Trinkwasser in der Türkei kauft.

Damit soll rund 3 bis 4 Prozent des israelischen Trinkwasserbedarfs gedeckt werden. Ein wichtiger Faktor angesichts der immer dramatischeren Wasserknappheit. Israel hatte lange gezögert: Eine starke Lobby plädierte für den Ausbau von Entsalzungsanlagen, um bei dem strategischen Gut Wasser nicht in Abhängigkeit zu geraten. Mittlerweile ist klar, dass beides nötig ist, um den Wasserbedarf zu decken. Deshalb hat Scharon die Grundsatzvereinbarung unterschrieben. Wann die erste türkische Wasserlieferung im israelischen Hafen Askalon gelöscht werden kann, ist noch unklar. Noch gibt es die Schiffe nicht, die das Nass transportieren sollen. Ehemalige Öltanker sollen umgerüstet werden. Israel will die Wassertanker selbst bauen, um den Nachschub jederzeit sicherstellen zu können, hat aber noch nicht damit begonnen. Auf türkischer Seite ist seit fünf Jahren alles für den Transport bereit. Die Idee, mit Wasser Geld zu verdienen, stammt aus der Zeit von Präsident Özal. Auf dessen Veranlassung begannen Ingenieure der Wasserwerke Anfang der 90er-Jahre nach geeigneten Vorräten zu suchen. An der türkischen Mittelmeerküste östlich von Antalya fließen unzählige Flüsse und Bäche aus dem Taurusgebirge ungenutzt ins Meer. Einer davon ist der Manavgat, dem man zwar zwei Staustufen zur Stromgewinnung in den Lauf gebaut hat, dessen Wasser anschließend aber einfach ins Meer schießt. In seinen Unterlauf haben die Wasserwerker nun eine Pipeline gebaut, die zwei Kilometer meereinwärts an einem Terminal endet, an dem Tanker anlegen und das Trinkwasser in ihre Tanks füllen können.

Die Anlage ist für die Türkei ein Pilotprojekt. Im regionalen Hauptquartier der Wasserwerke in Antalya zeigt man interessierten Besuchern einen Videofilm mit weiteren Projekten, die folgen sollen – bis hin zu einer großen Wasserpipeline die vom Ceyhan-Fluss bei Adana über Syrien, Jordanien bis zum Westjordanland und Israel führen könnte.

Das Wasser hat beste Qualität. Und nach offiziellen türkischen Angaben ist die projektierte Wasserentnahme im Vergleich zu den Mengen, die weiter ins Meer fließen, so gering, dass sie ökologisch unbedenklich sein soll.

Bleibt die politische Frage: Ist Wasser ein ökonomisches Gut wie Öl oder andere Rohstoffe? Syrien und Irak streiten sich mit der Türkei seit Jahren um das Wasser aus Euphrat und Tigris, die in der Türkei entspringen und dann durch Syrien beziehungsweise den Irak fließen und sich südlich von Bagdad zum Schatt al Arab vereinen. Die Türkei hat beide gestaut und nutzt sie auch für die Bewässerung, um die Landwirtschaft im kurdischen Südosten anzukurbeln. Syrien und Irak pochen darauf, dass die Nutzung der Flüsse gemeinschaftlich geregelt werden muss. Statt Wasser in der Türkei zu kaufen, wollen die Syrer mehr Wasser aus dem Euphrat.

Doch die Türkei ist überzeugt, dass Wasser in Zukunft immer mehr zu einem kommerziellen Gut wird. Deshalb will man den Deal mit Israel unbedingt perfekt machen. Auch wenn, wie der britische Guardian berichtete, die Israelis statt in Dollars mit Panzern und Flugzeugen zahlen.