Weniger Feiertage retten die rot-grüne Konjunkturprognose

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet mit einer leichten wirtschaftlichen Erholung – nicht wegen, sondern trotz der Politik der Bundesregierung

BERLIN taz ■ Wirklich optimistisch gibt sich Klaus F. Zimmermann nicht. „Der Aufschwung ist ein Aufschwung ohne Schwung“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) über die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr. Während die SPD in Weimar über den nächsten Schritten der Agenda 2010 brütet, urteilt das DIW in Berlin zurückhaltend über die Politik der Regierung.

Zwar rechnen die Experten, die gestern ihre Konjunkturprognose vorstellten, für die Jahre 2004 und 2005 mit einem Wirtschaftswachstum von jeweils 1,4 Prozent. „Die Jahre der konjunkturellen Dürre sind beendet“, schätzt Zimmermann. Trotzdem rechnet das DIW pessimistischer als die Regierung – sie geht von 1,5 bis 2 Prozent aus.

Damit bleibt Deutschland weiter hinter der weltweiten, aber auch europäischen Entwicklung zurück. Denn die Weltwirtschaft boomt – und das ist nach Auffassung der Ökonomen auch die wichtigste Ursache für die Erholung in Deutschland. Sie beruht vor allem auf einem Anstieg der Exporte. Hinzu kommt, dass im laufenden Jahr schlichtweg länger gearbeitet wird, weil es weniger Feiertage gibt. Allein der Kalender sorgt für eine Steigerung der Produktion um 0,6 Prozent.

Der Regierung bescheinigen die Wirtschaftsforscher eine „zum Teil inkonsistente Wirtschaftspolitik“. So tragen die vorgezogene Steuerreform und die Änderungen auf dem Arbeitsmarkt kaum zur Erholung bei. Auf nur 0,2 Prozent beziffert das DIW den Konjunkturimpuls der Reformen. „Unterhalb der Messfehlergrenze“ nennt Gustav Horn, Leiter der DIW-Konjunkturabteilung, den Effekt. „Wir bedauern, dass in dem vereinbarten Reformpaket vieles nur halbherzig angegangen wird“, sagt DIW-Chef Zimmermann. Besonders die weit reichende Gegenfinanzierung der Steuersenkung, auf der vor allem die Union bestanden hat, wirke sich konjunkturell negativ aus.

Alles in allem habe die Politik ihre Möglichkeiten „nicht hinreichend genutzt“. Vor allem Finanzminister Hans Eichel (SPD) attestieren die Wissenschaftler eine „problematische Reaktion“ auf die Wachstumsschwäche. Eichel habe bis zum vergangenen Sommer an seiner strikten Sparpolitik festgehalten – doch eine solche Politik „musste angesichts der konjunkturellen Schwäche scheitern“, so das DIW.

Auf die Arbeitslosigkeit hat das leichte Wachstum im kommenden Jahr so gut wie keine Auswirkung. Die Zahl der Erwerbslosen wird dem DIW zufolge im Jahresdurchschnitt 2004 bei 4,3 Millionen liegen – im Vergleich zum vergangenen Jahr nur ein leichter Rückgang. Erst 2005 könnte die Zahl der Arbeitslosen um etwa 125.000 Personen sinken. Voraussetzung für mehr Jobs sei, dass die Verbraucher mehr konsumieren, so Konjunkturexperte Horn. So lange dies nicht der Fall sei, bleibe Deutschland „auf Impulse von außen angewiesen“.

Genau darin aber sehen die Ökonomen das große Risiko für die wirtschaftliche Erholung. Denn der Höhenflug des Euro könnte die Preise deutscher Produkte im Ausland empfindlich steigen lassen – und für ein abruptes Ende des Exportbooms sorgen. Der Politik geben die Experten zwei Empfehlungen: Zum einen müsse die Europäische Zentralbank die Zinsen senken und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung stimulieren. Zum anderen müsse der Stabilitätspakt reformiert werden. An die Stelle der Verschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollte eine Kontrolle der Ausgaben treten, so Horn: „In Zeiten der Hochkonjunktur könnte die Konsolidierung dann rasch vorangetrieben werden, in Zeiten schwacher Konjunktur muss die Finanzpolitik hohe Defizite hinnehmen.“

ANDREAS SPANNBAUER