„Schlechte Idee“ als Erfolg

Vor elf Jahren begann der Aufstieg von Ritzenhoff

Marsberg dpa ■ „Mit dem Milchglas fing alles an“, sagt Bernd Batthaus und lehnt sich zurück. Der Vorstandsvorsitzende der Ritzenhoff AG ist zufrieden. „Da sollten wir für einen Milchproduzenten-Verband ein Glas entwerfen. Aber der Entwurf mit den Kuhflecken kam nicht an.“ Und so hat Ritzenhoff die von den Kunden für schlecht befundene Idee für sich selbst produziert.

„Eigentlich müssten wir denen dankbar sein, dass ihnen der Entwurf nicht gefallen hat“, lächelt Batthaus. Denn vor dem Milchglas war Ritzenhoff ein „no-name“. Und das ist noch gar nicht so lange her: „Wir haben uns selber einen Markt geschaffen. Seit elf Jahren gibt es uns jetzt als Marke für dekorative Geschenkartikel“, sagt Batthaus.

Die Tradition der Glasproduktion in Marsberg ist allerdings schon fast 100 Jahre alt. 1904 wurde die erste Mundglasfabrik gegründet, die 1936 von Ritzenhoff übernommen wurde. Als „RC Ritzenhoff Cristal“ wirkt das Unternehmen mehr im Verborgenen. 90 000 Gläser für Brauereien und Getränkehersteller in der ganzen Welt werden täglich in Marsberg gegossen. „Wir leben vom Fassbier und vom Glasbruch in den Kneipen“, sagt Batthaus über den klassischen Geschäftszweig: „Mit einer Jahresproduktion von 32 Millionen Stück sind wir in diesem Bereich Marktführer.“

Während aber die mit Kunstwerken verzierten Milchgläser, Sektflöten und Cappucino-Tassen zum Selbstläufer geworden sind, hat die Glasfabrik bei der „Massenware“ zu kämpfen. Denn wenn Brauereien über Verluste beim Fassbier-Absatz klagen, werden in der Folge auch nicht so viele Biergläser benötigt. „Wir haben in den vergangenen Jahren im Inland 18 Prozent verloren“, sagt Batthaus. Dies zeigt, wie dramatisch der Wandel ist. Doch Batthaus ist dennoch zufrieden: „Wir exportieren mehr und fahren immer noch volle Auslastung.“

In der Fabrik spucken drei vollautomatische Produktionsschienen im Sekundentakt Gläser aus. 380 Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Glasöfen, in denen Quarzsand, Soda, Kalk, Pottasche und elf weitere Rohstoffe geschmolzen werden, nicht abkühlen. 45 Tonnen Glas werden „täglich in Form gebracht“, erklärt Qualitätsprüfer Ralf Diebenbusch. Die Produktion erinnert an eine Getränke-Abfüllanlage. Etwa Kinderfaust-große Glastropfen fallen auf einen Teller der runden Maschinen und fließen langsam nach unten, bevor die Gläser mit Druckluft ausgeblasen werden. Danach werden noch Stiele „angeschweißt“ und der Glasrand bearbeitet.

Manuell geblasen werden nur noch Kleinstserien, Einzelstücke und Muster, erklärt Diebenbusch. Am Ende der Produktionsstraße ist das Glas erkaltet und wird in Kartons oder auf Paletten verpackt. Vorher bekommen viele Gläser noch ihren Eichstrich verpasst. „Wir machen das entweder mit einem feinen Sandstrahl oder später bei der Dekoration“, sagt Diebenbusch. Wichtig sei, dass die Eichmarke nicht entfernt werden könne: „Wir haben eine Ausnahmegenehmigung zum Eichen, das ist ja eigentlich eine Behörden- Aufgabe.“