Der Prototyp eines dubiosen Kriegshändlers

Landgericht verurteilt deutsche Waffenhändler: Sie lieferten dem Irak Material zum Bau atomwaffenfähiger Kanonen

MANNHEIM taz ■ Wegen illegaler Rüstungsgeschäfte verurteilte das Mannheimer Landgericht gestern zwei deutsche Geschäftsleute zu fünf Jahren und drei Monaten Haft und zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe. Sie waren angeklagt, Gerät zur Herstellung von Waffen in den Irak geliefert, das Embargo gegen das Land umgangen und gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben. Damit ist der Prozess, der im Januar begonnen hatte, unerwartet schnell zum Ende gekommen. Das Gericht blieb nur knapp unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Die hatte für den Pforzheimer Händler und Maschinenbauingenieur Bernd Sch. (59) sechs und den Vertriebsleiter Willi R. (54) zweieinhalb Jahre Gefängnis gefordert.

Für die Staatsanwaltschaft ist Sch. ein gewissenloser Krimineller. Er sei „der Prototyp eines dubiosen Händlers des Krieges“. Sch. habe zudem illegale Waffenlieferungen mit dem Gesamtvolumen von 65 Millionen US-Dollar in andere Länder zu verantworten, deren Zustandekommen allerdings nicht nachgewiesen werden könne. Auch das Gericht stellte in seinem Urteil fest, der Hauptangeklagte Sch. habe es nur auf das Geld abgesehen gehabt. Tatmotiv seien seine finanzielle Probleme gewesen. Er habe „vor dem Nichts gestanden“, als er sich zu den Waffengeschäften entschloss, und gewusst, was er tat. Sch. hörte das Urteil fast regungslos.

Beide Angeklagten arbeiteten für die hoch verschuldeten Spezialfirma Burgsmüller, die zum Mannesmann-Konzern gehörte. Die Anklagebehörde warf dem Betrieb in ihren Plädoyer Mitwisserschaft vor. Es sei nicht möglich gewesen, den Export von Bohrsystemen, die sich zum Bau von bis zu zehn Meter langen Artilleriegeschützen des Kalibers 209 eignen, ohne Mitwisser einzufädeln. Die gelieferten Bohrwerkzeuge können dazu benutzt werden, Löcher in Kanonenrohlinge zu bohren. Solche Waffen könnten Atomsprengköpfe sowie mit biologischen und chemischen Kampfstoffen bestückte Munition abfeuern. Burgsmüller hatte mit dem Verkauf einen Umsatz von 193.000 Euro gemacht. Dieses Geld, so die Staatsanwaltschaft, müsse eingezogen werden. Gegen weitere Angestellte wird noch ermittelt.

Kontakte zu irakischem Waffenhändler

Das Geschäft war über Scheinfirmen in Deutschland, der Ukraine und in Jordanien abgewickelt worden. Von Jordanien aus waren die Geräte mit Lastwagen in den Irak gebracht worden. Vermittler war Bernd Sch., der gute Kontakte zu dem irakischen Waffenhändler Sahib al-Haddad aufgebaut hatte. Al-Haddad, der einen US-amerikanischen Pass besitzt, operierte von Jordanien aus. Die deutschen Behörden hatten ihn erfolgreich mit einem internationalen Haftbefehl suchen lassen. Er sitzt zur Zeit in Bulgarien in Auslieferungshaft und gilt als einer der internationalen Hauptwaffenlieferanten von Saddam Hussein.

Sch. hatte für seine Vermittlung rund 40.000 Euro Provision kassiert. Sein Mitangeklagter Willi R., so Staatsanwalt Stephan Morweiser, sei in den Export „hineingeschlittert“. Er habe zwar finanziell nicht profitiert, wohl aber wissen können, dass die Bohrsysteme für die Waffenproduktion bestimmt waren. Sch. hatte zugegeben, dass er „vermutet“ habe, dass die Lieferung über Scheinfirmen letztendlich im Irak landen werde. Willi R. versicherte dagegen immer wieder, er sei lediglich von „Inlandsgeschäften“ ausgegangen. Beide hatten im Prozess auch immer wieder ausgesagt, sie hätten keine Ahnung gehabt, dass mit dem gelieferten Gerät auch Waffen hergestellt werden könnten. Die Verteidigung hatte für Bernd Sch. eine Haftstrafe nicht über vier Jahre, die von Willi R. eine Bewährungstrafe gefordert. Die Firma Burgsmüller, teilte deren Rechtsanwalt dem Gericht am vergangenen Dienstag mit, sei inzwischen verkauft worden. HEIDE PLATEN