Unter Zugzwang

VON BEATE WILLMS

Die Anleger an den Finanzmärkten bezweifeln offenbar, dass Europa in der Lage ist, die Krise effektiv zu bekämpfen. Der deutsche Leitindex DAX stürzte am Montag um mehr als 7 Prozent ab und schloss bei 5.387 Punkten. Das ist der tiefste Stand seit Juli 2006. Der Index für die europäische Bankenbranche verlor 6 Prozent, der Euro fiel zeitweise auf 1,35 US-Dollar und war damit so billig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Der New Yorker Aktienindex Dow Jones fiel nach Handelsauftakt am Montagnachmittag erstmals seit 2004 unter 10.000 Punkte.

An diesem Dienstag kommen die EU-Finanzminister in Luxemburg zusammen. Eigentlich sollte es bei dem Treffen vor allem darum gehen, das Finanzsystem weniger anfällig für künftige Krisen zu machen. Auf der offiziellen Tagesordnung stehen Initiativen wie etwa die zur Verbesserung der Aufsicht von Versicherungsunternehmen. Zu wenig für den aktionshungrigen französischen Präsidenten und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy. Er fordert von den Ressortchefs für das EU-Gipfeltreffen in der kommenden Woche eine umfassende gemeinsame Krisenstrategie.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklärte prompt, sein Wirtschaftsminister werde noch einmal einen Fonds vorschlagen, in den die Staaten je 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts einzahlen sollen. Bei einem Sondertreffen der vier größten EU-Länder am Samstag hatte die Bundesregierung sowohl diese als auch eine ähnliche französische Idee bereits abgelehnt.

Dass zumindest eine europäische Koordinierung nottut, war in den letzten Tagen deutlich geworden, als sich die Länder mit ihren einzelstaatlichen Rettungsmaßnahmen gegenseitig unter Zugzwang setzten. Begonnen hatte die irische Regierung, die vergangenen Donnerstag eine generelle Garantie für alle Guthaben an den sechs in Irland registrierten Banken abgab. Griechenland folgte am Freitag, Deutschland am Sonntag. Beide Länder beschränken sich aber auf eine Garantie für Girokonten, Spareinlagen und Termingelder privater Anleger. Schweden verdoppelte die Einlagensicherung am Montag von 250.000 auf eine halbe Million Kronen (rund 71.000 Euro). In Großbritannien sollen Privatguthaben statt wie bisher bis 30.000 von nun an bis 50.000 Pfund (umgerechnet etwa 64.000 Euro) gesetzlich abgesichert sein. Auch Österreich kündigte an, die Einlagensicherung anzuheben.

Die dänische Regierung verabschiedete ebenfalls eine unbegrenzte Garantieerklärung. Allerdings verpflichtete sie die Banken zugleich, in den nächsten zwei Jahren 35 Milliarden Kronen (etwa 4,7 Milliarden Euro) in einen Einlagensicherungsfonds einzuzahlen. Und sie machte klar, dass weder Aktionäre noch Banken selbst mit zusätzlicher staatlicher Hilfe rechnen können. Die isländische Regierung stoppte am Montag den Handel mit Aktien von Banken und Versicherungen komplett.

Immerhin gab es für die zerschlagene und teilverstaatlichte belgisch-niederländische Bank Fortis eine Lösung. BNP Paribas, die größte Bank der Eurozone, übernimmt die Geschäfte in Belgien und Luxemburg. Dafür bekommt die belgische Regierung 11,6 Prozent, die luxemburgische 1,1 Prozent der BNP-Paribas-Anteile. Die Regierung in Den Haag hatte die niederländischen Fortis-Teile bereits am Freitag gekauft, aber Belgien und Luxemburg dadurch verstimmt, dass sie laut über „versteckte Probleme“ in den anderen Bereichen redete.