„Wenigstens eine geschlossene Enthaltung“

Der Junggrüne Arvid Bell fordert von der Grünen-Bundestagsfraktion ein gemeinsames Signal

ARVID BELL, 24, ist Afghanistanexperte und Kandidat der Grünen Jugend für den Parteirat.

taz: Herr Bell, diese Woche diskutiert der Bundestag über den Afghanistaneinsatz. Sollen die Grünen der Aufstockung und Verlängerung des Mandats zustimmen?

Arvid Bell: Nein. Die Bundesregierung verfolgt die falsche Strategie in Afghanistan. Ihr Afghanistankonzept beinhaltet weiterhin ein „Ja“ zur Terrorbekämpfung unter US-amerikanischer Führung. Stattdessen müsste sie endlich Klartext gegenüber den Amerikanern reden und sagen, dass ihr Krieg gegen den Terror gescheitert ist, und dass man den Wiederaufbau in Afghanistan so nicht schaffen wird.

Außenminister Steinmeier will die deutsche Beteiligung am Antiterrorkampf „Operation Enduring Freedom“ stoppen – ist das nicht auch ein bisschen Strategiewechsel?

Nein. Die Tornados, der bevorstehende Einsatz der Awacs-Flugzeuge, dies und vieles andere werden ja weiter den Antiterrorkrieg unterstützen. Steinmeier stellt OEF ja nicht grundsätzlich in Frage. Ein Mehr an Militär ist immer drin.

Nun werden die Grünen wohl ein bisschen Ja, ein bisschen Nein und recht viel mit Enthaltung stimmen …

Ich bin Realist genug zu wissen, dass es kein mehrheitliches Nein der Bundestagsfraktion geben wird. Aber die Abgeordneten sollten dann wenigstens alle gemeinsam mit Enthaltung stimmen, um ein geschlossenes Signal zu senden.

Sie haben Ihre Diplomarbeit über den Einsatz in Afghanistan geschrieben. Kann man noch „Raus aus Afghanistan“ fordern, wenn man so tief im Thema war?

Nein. Je länger man sich mit dem Land befasst und je mehr Leute man dort kennt, desto mehr will man die Menschen dort auf keinen Fall im Stich lassen. Aber wir müssen sie auch ernst nehmen und gerade deshalb die Spirale von Krieg und Gewalt stoppen. Auch unsere Entwicklungsstrategie müssen wir unbedingt ändern: Statt auf Zentralstaatlichkeit zu setzen, müsste mehr an und mit lokalen Strukturen gearbeitet werden. Und es braucht einen Abzugsplan, damit die Menschen nicht den Eindruck bekommen, wir wollten das Land besetzen. Es ist schon so viel Vertrauen vor Ort verspielt worden.

Die Deutschen lehnen den Einsatz mehrheitlich ab. Sind die Leute unsolidarisch?

Nein. Es ist ja gut, dass die Deutschen nicht einfach so Soldaten in alle Welt schicken wollen. Ihre Ablehnung speist sich aus vielen Motiven – nicht zuletzt aus dem berechtigten Gefühl, von der Regierung schlecht informiert zu werden. Absetzen aber muss man sich von den Ressentiments nach dem Motto „Das interessiert uns alles nicht, die sollen ihren Kram da allein regeln“. INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN