„Es ist Sabotage, kein Streik“

Der Präsident des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA, Alí Rodriguez Araque, glaubt, dass die Ölindustrie in Venezuela von der politischen Opposition missbraucht wird und die Blockade der Produktion vor allem das Werk ranghoher Manager ist

Interview INGO MALCHER

taz: Venezuela ist viertgrößter Erdölexporteur der Welt. Jetzt muss es Benzin importieren. Droht ein weiterer Anstieg des Ölpreises?

Alí Rodriguez Araque: Der gegenwärtige Anstieg des Ölpreises hat verschiedene Gründe. Zum einen ist in Europa und in den USA Winter, und da steigen Nachfrage und Preis für gewöhnlich. Hinzugekommen sind ein möglicher Angriff der USA auf den Irak und die Krise in Venezuela – sie ist ein Grund, aber nicht der Auslöser.

Droht PDVSA der Bankrott, wenn weitergestreikt wird?

Mehr als den kurzfristigen finanziellen Schaden fürchte ich den Vertrauensverlust. Venezuela war für den Westen immer ein sicherer Erdöllieferant. Auch wenn es in Venezuela Konflikte gab, haben wir niemals unsere Öllieferungen ausgesetzt. Jetzt wird die Ölindustrie von der Opposition als politische Waffe missbraucht, um eine Regierung zu stürzen.

Wer streikt in Ihrer Firma?

Es handelt sich eher um einen Fall von Sabotage als um einen Streik. Manager in hohen Positionen bei PDVSA haben gezielt die Produktion und den Export sabotiert. Sie sagten unseren Partnern, dass unsere Häfen unsicher seien, was ein Gerücht war.

Aber die Produktion steht weitgehend still.

Wegen der stark technikabhängigen Produktionsweise können schon ganz wenige Mitarbeiter die Firma zum Stillstand bringen. So wurde bei uns der Transport von den Bohrstellen zur Raffinerie blockiert. Die Codes und Passwörter für die Steuerungsanlagen wurden einfach ausgewechselt. Und sobald kein Tanker mehr beladen werden kann, laufen die Tanks der Verteilerstationen voll – und dann müssen wir auch die Ölbohrungen einstellen, weil wir nicht wissen, wohin mit dem geförderten Öl. Jetzt sind wir dazu übergegangen, alles manuell zu steuern.

Ihnen wird vorgeworfen, die Firma wie ein Alleinherrscher zu führen.

PDVSA funktionierte wie ein Staat im Staat, als ich hier anfing. Das müssen wir ändern, um die Firma produktiver zu machen. Aber es ist ein langer Prozess. Ich bin nicht Verwalter einer Staatsbehörde, sondern Leiter eines kommerziellen Konzerns. Und die Situation wird auch für uns härter, wir müssen permanent Kosten sparen. Hinzu kommt: Der Weltmarkt für Energie hat sich verändert, und darauf müssen wir reagieren. Im Jahr 2020 wird Erdgas 29 Prozent aller Energien ausmachen und die Ansprüche an die Qualität steigen. So gilt es strenge Umweltstandards zu erfüllen. In der Vergangenheit habe wir mehrere Joint Ventures angeleiert, um die Erdgasförderung zu stärken.

Wie lange wird es nach einem Ende des Streiks dauern, bis Venezuela wieder normale Förderquoten erreicht?

Momentan schlafe ich nur zwei bis drei Stunden pro Nacht. Allein die Situation zu normalisieren, ist eine titanische Aufgabe. Es sind erhebliche Schäden entstanden. Die Raffinerie wieder zum Laufen zu bringen, kann dauern. Aber wir arbeiten daran.