Uni-Ghetto am Hafenbecken

Ist die Umzugsdiskussion nur eine Farce? Nach einer ersten Modellrechnung ist der Kleine Grasbrook zu klein für ein neues Uni-Viertel. Am Rothenbaum wäre jedoch noch genug Platz für Neubauten

Von KAIJA KUTTER

Heute sollte im Rathaus der Wissenschaftsausschuss tagen. Der Termin entfällt, mangels Themen, wie es heißt. Dabei wollten die Linke und die SPD über die Kommission sprechen, die CDU-Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach einberief, um bis zum April vier Szenarien für die Zukunft der Uni, bis hin zum Totalumzug auf die Elbhalbinsel Kleiner Grasbrook, zu prüfen.

Kommissionsmitglieder von Grünen und CDU sahen keinen Gesprächsbedarf. „Uns wurde gesagt: Wir informieren Sie, wenn die Kommissionzu Ende gearbeitet hat“, empört sich die Linke-Abgeordnete Dora Heyenn. Die SPD-Abgeordnete Dorothee Stapelfeldt vermutet, dass die Vision des Umzugs als Ablenkung von Haushaltsengpässen dient.

Denn bis zum April wird der Etat für 2009/2010 verabschiedet sein. „Bis dahin hat man Zeit gewonnen, um dringende Projekte wie die Sanierung des Geomatikums aufzuschieben“, sagt sie. Am Ende habe der Senat sich über zwei Jahre gerettet. „Ob eine Verlagerung auf den Grasbrook möglich ist, interessiert keinen.“

Der taz liegt eine Modellrechnung aus Bezirkskreisen vor, die diese These stützt. Darin steht, die Sanierung der Uni sei günstiger und realistischer als ein Neubau. Für die Erschließung der Insel und den Bau der Hochschule wären 2,5 bis 3 Milliarden Euro nötig. Ein Verkauf der Uni-Flächen am Rothenbaum brächte maximal 400 Millionen Euro ein.

Wenn die Stadt einen privaten Investor engagiere und die Neubauten mietet, bedeute das für die Dauer von 25 Jahren jährliche Ausgaben im Umfang des Wirtschaftsplans der Universität.

Hinzu kommt: Die Elbhalbinsel scheint zu klein, um dort ein Univiertel mit lebendigem Umfeld zu schaffen. Platz wäre nur für eine Art Uni-Ghetto zwischen den Hafenbecken. So hat die Hochschule einen Bedarf von 745.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche (BGF). Auf den beiden Landzungen Überseezentrum und Oswaldkai stehen laut Modellrechnung aber nur 620.000 Quadratmeter Nettobauland zur Verfügung.

Bei einer durchschnittlichen Bebauungsdichte vom Faktor 1,2 ließe sich nur die Uni, aber keine Bewohner unterbringen. Wollte man ein Quartier, das zur Hälfte mit Wohnungen und Läden bebaut ist, müsste man dort mit Faktor von 3,0 verdichten, was für Wohngebiete als unverträglich gilt. Dagegen gilt der bauliche Zustand der Uni-Gebäude als nicht so schlecht, wie von der Behörde beschrieben. Nicht an drei von vier, sondern nur an jedem zweiten Gebäude sei etwas zu tun, damit sind diese nicht in ihrer gesamten Fläche sanierungsbedürftig. So ist zum Beispiel das historische Uni-Hauptgebäude für seine fast abgeschlossene Modernisierung mit zwei Architekturpreisen ausgezeichnet worden.

In der Antwort auf eine SPD-Anfrage wird die ganze Fläche von 4.800 Quadratmetern als sanierungsbedürftig angegeben. Zudem scheint es genug Platz für Neubauten am Rothenbaum zu geben, dafür wurde 1998 mit dem Bezirk Eimsbüttel ein Plan erstellt. So ist an der Sedanstraße Platz für ein großes Entlastungsgebäude, das genutzt werden könnte, wenn das Geomatikum saniert wird. Auch neben dem Pferdestall, hinter dem Audimax und an der Moorweidenstraße ist Platz für Bauten.

„Es gibt jede Menge Pläne, wie man die Uni ausbauen kann. Auch wir werden einen Vorschlag unterbreiten“, sagt Heyenn. „Wir werden die Kreise stören“. Sie fürchtet einen Ausverkauf von städtischem Eigentum am Rothenbaum und eine Investorenlösung, „die die ganze Stadt ärmer macht“.

Im Rathaus bleibt es heute trotzdem nicht ruhig. Die Studenten Golnar Sephernia und Till Petersen werden den Parteien 4.000 Unterschriften gegen den Umzug überreichen. „Eine Verlagerung zerstört das kulturelle Erbe der Universität“, sagt Sephernia. Die Studierenden würden nun benutzt, „um die Seelenlosigkeit der Hafen-City auszugleichen“.