Der neue Liebling der Senioren

Ausgerechnet die Senioren waren es, die seine Kandidatur öffentlich förderten wie niemand sonst. Fünf Jahre ist es jetzt her, dass Philipp Mißfelder als damals frisch gewählter Vorsitzender der Jungen Union befand, 85-Jährige müssten sich nicht mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft künstliche Hüftgelenke einsetzen lassen. Die politische Karriere das damals nicht ganz 24-Jährigen schien angesichts des Frontalangriffs auf die wichtigste Wählergruppe der Union bereits beendet. Mißfelder aber behandelte das Thema offensiv, ging auf die Senioren-Union zu – und tritt mittlerweile mit deren Bundesvorsitzendem Otto Wulff oft im Duo auf.

So hat sich der Bundesvorstand der Senioren-Union in dieser Woche einstimmig für Mißfelders Wahl ins CDU-Präsidium ausgesprochen, das höchste Gremium der Partei. Dort soll er den Platz von Hildegard Müller einnehmen, der Merkel-Vertrauten und scheidenden Staatsministerin im Kanzleramt, die am 1. Oktober zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wechselt. Mißfelders Nominierung durch den nordrhein-westfälischen Landesverband, dem der Posten zusteht, gilt als ebenso wahrscheinlich wie seine Wahl auf dem Bundesparteitag Ende November in Stuttgart.

Für die neue Karrierestufe qualifizierte sich Mißfelder, der seit 2005 den Wahlkreis Recklinghausen im Bundestag vertritt, auch durch seine Loyalität zum Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Dessen von der CDU-Bundesspitze heftig bekämpfte Forderung nach höheren Renten für langjährige Beitragszahler trug Mißfelder als Mitautor eines Leitantrags zur Generationengerechtigkeit mit. Erstaunlich genug für einen Politiker, der nicht nur die Interessen der Jungen vertritt, sondern sich auch im einschlägigen Bundestagsausschuss als Wirtschaftspolitiker profiliert und voriges Jahr gemeinsam mit anderen jüngeren Unionspolitikern dazu aufrief, das konservative Profil der Partei zu schärfen. Ein der Bundesvorsitzenden Merkel zugeschriebener Versuch, die Kölner Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretärin für Verbraucherschutz, Ursula Heinen, gegen Mißfelder in Stellung zu bringen, wird offenbar nicht weiter verfolgt.

Das neue Bestreben nach Seriosität unterstrich Mißfelder auch dadurch, dass er in diesem Jahr sein lange verschlepptes Geschichtsstudium an der Technischen Universität Berlin abschloss. Am Zentrum für Antisemitismusforschung schrieb er eine Magisterarbeit über den jüdischen Publizisten Maximilian Harden, den Enthüllungsjournalisten der wilhelminischen Ära. Über Politik im Medienzeitalter lässt sich da viel lernen. RALPH BOLLMANN