DIE OSTSEEPIPELINE BELASTET DAS DEUTSCH-SKANDINAVISCHE VERHÄLTNIS
: Die Bundeskanzlerin als Gaslobbyistin

Die geplante Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland nährt in großen Teilen der skandinavischen und baltischen Öffentlichkeit Angst. Das mag man mit der dort teilweise noch höchst lebendigen „Russenfurcht“ abtun. Doch einen Keil zwischen die EU-Länder hat das Pipelineprojekt schon jetzt getrieben. Die geplante Leitung hat es in Nordeuropa nicht nur schwer, weil es ganz offenbar vor allem geostrategische und machtpolitische Gründe sind, für ihre Rohre den längeren, teureren und ökologisch bedenklicheren Umweg durch die Ostsee zu wählen – anstatt die direkte Landroute durch die baltischen Staaten und Polen.

Es war auch die Art, wie die Herren Putin und Schröder skandinavische Empfindlichkeiten einfach ignorierten, als sie vor fünf Jahren selbstherrlich den Pipelinebau beschlossen. Ohne die Ostseeanrainerstaaten, in deren Wirtschaftszonen man den Meeresboden großräumig umwühlen will, vorab auch nur zu informieren. In Schweden vermeidet man sonst eher, sich mit Brüssel oder Berlin anzulegen. Doch verspürte man in Stockholm danach keine Lust mehr, mit dem gashungrigen Deutschland solidarisch zu sein. Folgerichtig schmetterte die konservative Regierung Anfang des Jahres einen Pipelinebauantrag erst einmal als „ungenügend“ ab.

Das war unerwartet und womöglich auch nur Theaterdonner für die Wählerschaft. Die Bundeskanzlerin, die in Stockholm nun die Kohlen aus dem Feuer holen will, kann daher sicher auf ein offenes Ohr bei ihrem Parteifreund Fredrik Reinfeldt zählen. Stockholm wird zusagen, keine sicherheitspolitische Debatte zum Pipelinethema anzustoßen. Es wird sich bei dessen Prüfung „nur“ auf eine Umweltkonsequenzanalyse beschränken.

Sicher ist damit aber noch lange nicht, dass die Pipeline ab 2012 Gas nach Deutschland leiten wird. Öffentlicher Druck könnte Stockholm zu einer so umfassenden Prüfung zwingen, dass darüber Jahre vergehen. Und dann in Schweden womöglich eine rot-grüne Regierung ans Ruder kommt, die sich nicht nur auf ökologische Einwände beschränken lassen will. REINHARD WOLFF