Kolossal, das Licht im Saal

Die Nacht gefiel sich im Glamour: Die Ausstellung „Berlin im Licht“ im Märkischen Museum erzählt eine Kulturgeschichte des Kunstlichts. Sie erzählt es zwar ein wenig holprig und auch sehr brav, interessante Facetten lassen sich aber trotzdem entdecken

VON MARCUS WOELLER

„Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht! Und Gott sah, dass das Licht gut war.“ Statt Gott sprachen und sahen in Berlin Werner von Siemens und Walther Rathenau. Siemens hatte 1866 das dynamoelektrische Prinzip entdeckt und damit die Berliner Elektroindustrie initiiert. Die produzierte für die Stadtverwaltung bald Bogenlampen für die nächtliche Straßenerhellung. Rathenau sorgte als Vorsitzender der AEG einige Jahrzehnte später für die flächendeckende Versorgung Berlins mit Strom, der elektrisches Licht dann auch in die Privathaushalte brachte.

Die Ausstellung „Berlin im Licht“ der Stiftung Stadtmuseum beginnt dennoch mit Kienspänen und Fackeln, Kerzen und Gaslaternen ihren Streifzug durch die Kulturgeschichte des Kunstlichts als urbaner Kommunikationsträger. Generaldirektorin Franziska Nentwig hat sich viel vorgenommen mit der Schau anlässlich des hundertsten Geburtstags des Märkischen Museums. Den hohen Anspruch kann sie leider nur bedingt einlösen. Zu divers sind die Exponate, zu breit gefächert die Themen und zu schwer zu bespielen die labyrinthartig verwinkelte Burganlage des Märkischen Museums.

Besonders eine stimmige Ausstellungsarchitektur fehlt, um die Besucher durch das Haus zu leiten. Vitrinen und ungelenke Stellwände verdecken teilweise Stücke der ständigen Sammlung. Der historisierende Bau von Ludwig Hoffmann, der das Haus als Stein gewordenen Komplex von Architekturzitaten anlegte, steht sich häufig selbst im Weg und verhindert den selbstbewussten Auftritt der Ausstellungsstücke. Besonders Fotografien und Druckwaren haben es da schwer.

Gemeinsam mit dem fundierten Katalog weist die Ausstellung im Detail dennoch durchaus aufschlussreich darauf hin, wie künstliches Licht die Wahrnehmung der Stadt mit der Zeit veränderte. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte Berlin in den Zwanzigerjahren eine erste Blüte städtischer Lichtregie. Die Architekten des Neuen Bauens hatten die Durchleuchtung der Wohn- und Arbeitsräume mit Tageslicht gefordert, aber auch den Mut zur Farbe verordnet.

Die Nacht gefiel sich im Glamour und konnte durch das elektrische Licht ihr Potenzial vollends ausspielen. Eine der größten Bühnen der Weimarer Republik war das große Schauspielhaus von Hans Poelzig, das er im Auftrag von des Regisseurs Max Reinhardt in einer ehemaligen Markthalle am Schiffbauerdamm errichten konnte. Über den mehr als 3.000 Sitzplätzen erhob sich eine kolossale Lichtdecke aus herunterhängenden Zapfen, die alle indirekt beleuchtet werden konnten.

Neben Theatern und Varietés waren es besonders die Kinos, die ihrem Rang als Lichtspielhäuser gerecht wurden. 1928 wurden auf der Lichtwoche dann alle Register der Beleuchtungstechnik gezogen, doch die unbeschwerte Begeisterung für das urbane Spektakel, das ohne elektrisches Licht nicht mehr denkbar war, währte nicht lange.

Bevor das Licht mit dem Verdunklungsgebot während der Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs ganz ausging, trieben die Nazis die Inszenierung von Macht durch Leuchtkraft auf die Spitze. Unter den Linden, Teil der ausgebauten Ost-West-Achse, wurde zur Aufmarschgeraden im Scheinwerferlicht und seit dem Besuch Mussolinis zur dauerhaften Lichtinstallation des totalitären Gestaltungswillens Albert Speers.

Im Wiederaufbau spielte die Beleuchtung dann unterschiedliche Rollen in den beiden Stadthälften. Während sich West-Berlin als hübsch leuchtendes Schaufenster des Westens dekorierte, diente Licht in der Hauptstadt der DDR weiterhin vor allem der Repräsentation des Staatsgedankens. Auf der Stalinallee erfüllten die sogenannten Paulick-Leuchten zwar kaum die Funktion, den überdimensionalen Straßenraum zu erhellen, fügten sich aber in die große Geste aus Stadtplanung, Architektur und Straßenmobiliar ein. Erst gegen Ende der Fünfzigerjahre bekannte sich die DDR mit der doch signifikant formalistischen Peitschenleuchte zur propagierten sozialistischen Moderne.

Je näher die Ausstellung in die Gegenwart rückt, desto hilfloser wird leider ihr Konzept. Die Einbindung zeitgenössischer Kunst, die sich mit Licht auseinandersetzt, überzeugt kaum. Lediglich der Künstlerin Ulrike Helms gelingt es, mit ihrer Videoinstallation „Anstoß“ wohltuend ironisch auf die Architektur des Hauses zu reagieren. Sie projiziert Kickerfiguren auf die Balkenlager der „Gotischen Kapelle“, die als Auftragsarbeit nun dauerhaft mit den mittelalterlichen Holzskulpturen kommunizieren können.

Aber die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums durch strategische Beleuchtung wird kaum thematisiert, stattdessen ein Loblied auf die Wirtschaftskraft Berliner Lichttechnologie gesungen. Zu eng war wohl die Kooperation mit den Sponsoren aus Elektro- und Stromindustrie. So beweist die Ausstellung lediglich, dass nicht alles Licht ist, was leuchtet.

„Berlin im Licht“, Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, Berlin-Mitte. Di., Do., So. 10–18 Uhr, Mi. 12–20 Uhr, Fr., Sa. 14–22 Uhr, noch bis zum 1. 2. 2009. www.stadtmuseum.de