Der Pater, der kunstvoll provoziert

Dialogstifter zwischen Kirche und Kunst: Der Kölner Jesuitenpater Friedhelm Mennekes, 68, plädiert für eine „neue Kultur des Mystischen“ – und hält am Sonntag seine letzte Messe. FOTO: E. REINEKKE/KNA

Sie sind zwar verrückt, aber katholisch“, bescheinigte der Kölner Kardinal Joachim Meisner einmal dem Jesuitenpater Friedhelm Mennekes, der als weithin bekannter „Kunst-Pfarrer“ zweifellos eine Sonderstellung innerhalb der deutschen Kirche einnimmt. Denn Mennekes, der am Sonntag seine letzte Messe hält, war schon immer davon überzeugt, dass wahrer Gottesglaube mehr als fromme Worte braucht.

Etwa die sinnliche Erfahrung der zeitgenössischen Kunst. Aus der Rubenstaufkirche Sankt Peter machte Mennekes die international renommierte „Kunst-Station“, in der neben Gottesdiensten und Konzerten auch regelmäßig Ausstellungen stattfanden. Darunter auch ganz bewusst von solchen Künstlern, die nicht unbedingt als kirchenfreundlich galten. Francis Bacon, Cindy Sherman, Rosemarie Trockel und David Salle stellten in Sankt Peter aus. Auch der derzeit so heftig kritisierte Gregor Schneider, der im Herbst 2006 einen drei Meter hohen Tiefkühlsarg in den Altarraum stellte, der Verstorbenen die Wiedererweckung zum ewigen Leben verhieß.

Mennekes sieht die damalige Installation heute als Vorläufer des umstrittenen Sterberaums Schneiders. Und kann den Aufschrei dagegen nicht teilen. Für den 1940 als Sohn eines Bottroper Kneipenbesitzers geborenen Pater bedeutet Kunst seit je Zumutung. Provokation. Entgegen der „aufgeklärten Entmythologisierung“ der Theologie, die Mennekes beklagt, plädiert er für eine „neue Kultur des Mystischen“, die das sinnlich-intuitive Erleben von Glaubenswahrheiten als mindestens ebenso wichtig einschätzt wie das rationale Begreifen. Kunstwerke haben für den promovierten Politologen und habilitierten Theologen umso größeres Erkenntnispotenzial, je direkter und ungefilterter sie den Betrachter irritieren oder sogar verstören. Nichts erweckt seiner Ansicht nach den Glauben stärker als Widerspruch, Dissonanz und Zweifel. Wie er es selbst als jugendlicher Atheist durchlebte.

Weniger Erweckung als Neugier bewog den 22-Jährigen, dem Jesuitenorden beizutreten, wo er neben Theologie auch Philosophie und Politikwissenschaft studierte. Die zeitgenössische Kunst entdeckte er eher zufällig. Als Pfarrer zunächst im Frankfurter Arbeiterviertel Nied stationiert, erhielt Mennekes von der Bahn einen Ausstellungsraum mitten im Frankfurter Hauptbahnhof. Daraus machte er seine erste „Kunst-Station“, die deshalb berühmte Künstler wie Joseph Beuys anzog, weil der Pater früh erkannte, dass er Werke nicht nach ihrer Erbaulichkeit beurteilen durfte. „Es geht nicht um Illustration“, mahnt Mennekes seither stur. „Das ist das große Missverständnis der Kirche gegenüber der Kunst.“ GISA FUNCK