Waffen sollen ruhen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Im Gazastreifen und den benachbarten israelischen Grenzgemeinden sollen die Waffen von diesem Donnerstag, 6 Uhr, an die Waffen schweigen. Nach der islamistischen Hamas hat gestern Israel den ägyptischen Vermittlungsvorschlag akzeptiert und die Waffenruhe bestätigt.

Zunächst befristet auf sechs Monate wollen die Extremisten im Gazastreifen Israel nicht länger mit Raketen angreifen und die israelische Luftwaffe wird umgekehrt keine Angriffe mehr fliegen. „Wenn die Angriffe wirklich eingestellt werden“, so kommentierte Mark Regev, Sprecher der israelischen Regierung, „dann wird Israel in der kommenden Woche die Blockade lockern“ und zunächst den Verkehr für importierte Waren erleichtern. In einer zweiten Stufe werden Hamas und Israel weiter mit ägyptischer Vermittlung über den Geiselaustausch verhandeln. 450 palästinensische Häftlinge sind der Preis, den die islamischen Extremisten für den seit zwei Jahren festgehaltenen Soldaten Gilad Schalit fordern.

Verteidigungsminister Ehud Barak trieb die Einigung voran und schickte Amos Gilad, seine rechte Hand im Verteidigungsministerium, immer wieder nach Kairo. Unter seinen Kollegen in Jerusalem ist die Feuerpause indes schwer umstritten. Von einer „Kapitulation vor dem Terror“ sprach die Ex-Erziehungsministerin Limor Livnat (Likud), und selbst in den Reihen der Koalition fand die Waffenruhe mit der Hamas nicht nur Befürworter.

„Der große Kampf wird nicht zwischen Israel und den Palästinensern ausgefochten, sondern zwischen den moderaten und den extremistischen Arabern“, kommentierte Vize-Premierminister Chaim Ramon von der Kadima. „Jeder Erfolg für die Extremisten schwächt die Moderaten und umgekehrt.“ Nun feierten die Extremisten der Hamas ähnliche Erfolge wie zuvor die Hisbollah im Libanon. „Früher oder später werden sich die Moderaten fragen, was für sie dabei herausspringt, wenn sie ihre moderate Linie fortsetzen.“

Die Regierung von Ehud Olmert stand jedoch unter Handlungszwang, um den andauernden Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen zu beenden. Als einzige Alternative zur Feuerpause stand nur eine umfassende Militäroperation zur Debatte. Mit einer großangelegten Bodenoffensive, so hoffte Ramon, sollte die israelische Armee dem Hamas-Regime ein Ende machen. Doch gerade in den Reihen des Militärs ließ die Erfahrung früherer Invasionen, die nie das gewünschte Ergebnis lieferten, die Kommandanten zögern. Die erzielte Übereinkunft, so resümiert Amos Gilad, „basiert auf der mangelnden Effektivität militärischer Aktionen bis heute und dem Willen, sie zu beenden“.

Olmert ließ sich gern von der Offensive abbringen. Das Letzte, was der tief in eine erneute Korruptionsaffäre verwickelte Regierungschef für die öffentliche Meinung jetzt noch brauchte, sind die in Plastiksäcken aus dem Gazastreifen zurückkehrenden getöteten israelischen Soldaten. Außerdem hätte die Bodenoffensive die ohnehin stockenden Friedensverhandlungen mit der palästinensischen Führung im Westjordanland vermutlich vollends zur Lähmung gebracht.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kann nicht über den Frieden reden, während im Gazastreifen gekämpft wird. Einerseits braucht Abbas die „Hudna“, die temporäre Feuerpause, für seine Friedensverhandlungen, andererseits schweben seine innerpalästinensischen Blutsfeinde im Gazastreifen nun auf einer Welle der öffentlichen Sympathie und Hochachtung infolge des politischen Sieges.

Der für die Fatah ungünstige Trend in der palästinensischen Öffentlichkeit wird sich noch verschärfen, wenn es zum Geiselaustausch kommt. Für nächste Woche ist der Beginn eines Verhandlungsmarathons über die Bedingungen für die Freilassung der israelischen Geisel Gilad Schalit geplant. Israel hatte seine Entlassung zunächst zur Vorbedingung für die Feuerpause gemacht und drängt jetzt auf eine rasche Einigung. Verhandlungsdelegierter ist der frühere Chef der israelischen Gefängnisse, Ofer Dekel, dem die Hamas die Liste mit 450 Namen zukommen ließ, darunter 350 Männer, die wegen Mordes verurteilt sind.

Der Hamas eilt es nicht mit einem Handel, solange sie hoffen kann, den Preis weiter hochzutreiben.