Brüder im Geiste

Samir, Wissam und Adnan sind Söhne eines Lautenbauers aus Nazareth. Als Trio Joubran revolutionieren die drei Palästinenser das Spiel der Oud

Seine Geige hat Claude Chalhoub durch dunkle Jahre gerettet. Im Bürgerkrieg der Achtzigerjahre wuchs er im christlichen Teil Beiruts auf. Der Vater betrieb einen Friseursalon, war aber von Musik beseelt: jedes seiner elf Kinder bekam ein Instrument, für Claude war die Violine vorgesehen. „Sie wurde für mich zu einem Refugium, während um unser Haus die Bomben niedergingen.“

Wie viele junge Leute seiner Generation war Claude Chalhoub auf Autodidaktik angewiesen. Ein Stipendium am Londoner Royal College of Music katapultierte ihn in eine andere Welt, und 1999 engagierte ihn Daniel Barenboim als Primusgeiger für sein „West-Eastern Divan Orchestra“. Heute lebt Chalhoub wieder in Beirut.

Auf seinem Soloalbum „Diwan“ (Herzog Records) hält sich Chalhoub fast ausschließlich in der Sphäre der klassischen Musik auf, Zwiesprache hält er mit den Streichern des Gewandhausorchesters Leipzig. Gruppiert sind die meisten seiner Kompositionen in Suiten, die mal an Bartók und Dvořák erinnern, dann wieder in barockem Vokabular schwelgen. Auch orientalische Stimmungen sind erkennbar, aber nur subtil. „Ich versuche nicht, meine Musik zu multikulturalisieren“, erklärt er. „Ich habe nun mal diesen kulturellen Hintergrund, das kommt völlig natürlich.“ SF

VON DANIEL BAX

„Wir wollen normale Musiker sein“, sagt Samir Joubran. „Aber das können wir erst, wenn die israelische Besatzung endet“, glaubt er. Mit dem Trio Joubran gönnt er sich eine kleine Flucht, indem er dessen Instrumentalmusik nicht mit politischem Anspruch überfrachtet. „Ich will frei sein in meiner Musik“, erklärt er dazu. „Und Musik sagt oft mehr als viele Worte.“

Das Trio Joubran ist eine Ausnahmeerscheinung. Nicht nur, weil es aus drei Brüdern besteht. Sondern auch, weil es sich aus drei Virtuosen an der Oud zusammensetzt – bislang war die arabische Laute vor allem als Soloinstrument berühmt.

Kopf des Trios ist Samir, 35, der älteste der drei Brüder und Sohn eines Instrumentenbauers aus Nazareth. Obwohl in Israel geboren, kann er sich mit dem Staat nicht identifizieren. „In seiner Flagge und seiner Nationalhymne komme ich nicht vor“, stellt er fest. Deshalb bezeichnet er sich auch nicht als „israelischer Araber“, wie er offiziell heißt, sondern als Palästinenser.

Mit den Paradoxien hat er zu leben gelernt: In den Neunzigerjahren hat er am Konservatorium in Kairo studiert, „als erster und letzter Palästinenser“, denn mit seinem israelischen Pass war er dort nicht gern gesehen: alle sechs Wochen musste er ausreisen, um sein Visum zu erneuern.

Sein Bruder Wissam ist zehn Jahre jünger und ging zum Geigenbau-Studium ans renommierte Stradivari-Konservatorium nach Cremona, bevor es sich seinem Bruder anschloss. Zuletzt kam noch Adnan dazu, mit 22 Jahren das Nesthäkchen der Familie. Wie sich die drei Brüder zu einem Trio zusammenrauften, hat der Filmemacher Raed Andoni in seiner Dokumentation „Improvisation“ für den TV-Sender Arte festgehalten.

In Frankreich haben die drei Brüder inzwischen ihr Domizil aufgeschlagen, von hier aus koordinieren sie ihre Aktivitäten. Bislang haben sie in Frankreich mehr Konzerte gegeben als sonst wo, ihr Album „Majaz“ ist dort ein Bestseller. Doch wichtiger ist ihnen, dass sie auch in der Heimat ein Echo finden.

Das Erscheinen von „Majaz“ feierten sie daher mit einem Freikonzert in Ramallah, im halbautonomen Westjordanland. Als Sponsor gewannen sie einen lokalen Telefonanbieter, der auch für die aufwendige Werbekampagne per Plakat und SMS-Rundmail aufkam – Samir Joubran war es wichtig, nicht auf die Unterstützung einer ausländischen Organisation angewiesen zu sein, die sonst das Kulturleben sponsern. Ihr Auftritt dort geriet zum Triumph, er wurde von al-Dschasira sogar live in die ganze arabische Welt übertragen.

Ihr Ramallah-Konzert wurde von al-Dscha- sira in alle arabischen Haushalte übertragen

Sechs Jahre hat Samir Joubran selbst in Ramallah gelebt, von 1999 bis 2005, seine Ehefrau stammt von dort. In der Westbank erlebte er den Ausbruch der Intifada, die Ausgangssperren und die massive Gewalt der israelischen Armee. Zur Gewaltspirale im Nahostkonflikt mag er nur so viel sagen: „In Europa gibt es schon drei Generationen, die keinen Krieg mehr erlebt haben. Wir dagegen hatten nie eine längere Zeit des Friedens. Die Gewalt ist schon in unsere Gene übergegangen“, glaubt er und meint damit Araber, Israelis und Amerikaner gleichermaßen. „Es wird Generationen brauchen, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen“, fürchtet er.

Dass sich ein junges Publikum für ihre Musik begeistert, ist für Samir Joubran der größte Erfolg. „Als ich 15 Jahre alt war, schämte ich mich, meiner Freundin zu sagen, dass ich Oud spiele“, erinnert er sich. „Die Mädchen in meiner Schule haben mich ausgelacht, weil sie mich für altmodisch hielten.“ Doch sein Ansatz ist nicht, arabische Traditionen wie im Museum auszustellen, sondern sie zu revolutionieren.

Samir Joubran macht keinen Hehl daraus, dass ihn Al Di Meola, John McLaughlin und Paco de Lucia mit ihrem Gitarren-Livealbum „Friday Night in San Francisco“ zum flirrenden Sound des Trio Joubran inspiriert haben. Neben arabischen Oud-Stars wie Munir Baschir führt er aber auch indische Musik als Vorbild an.

„Was heute geschrieben wird, ist die Tradition von morgen“, ist er überzeugt. Schon jetzt bietet das Trio Joubran eine Vision für all jene, die der Parolen in diesem Konflikt müde sind.

Trio Joubran: „Majaz“ (Randana)