Der Stasispitzel, dessen Name klar ist

Er hatte der Mann ohne Vergangenheit, der Unternehmer XY aus dem Vogtland bleiben wollen. Der Klarname Holm S. und „IM Schubert“ sollten nicht öffentlich bei der Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“ in Zusammenhang gebracht werden dürfen, verlangte er vom Landgericht in Zwickau. Doch allein schon das Ansinnen formaler Anonymität machte seinen Namen über Medien und Internetforen bundesweit bekannt.

Es hätte des gestrigen Urteils der Richterin Gerth gar nicht bedurft, um das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung zu erzielen. Die Richterin erklärte die Veröffentlichung des Klarnamens für rechtens. Zur Begründung hieß es, die beklagte Stadt Reichenbach sowie ein Heimatverein seien für die Namensnennung rechtlich nicht verantwortlich, weil sie nicht die Träger der Ausstellung gewesen seien. Die Frage, ob das Persönlichkeitsrecht höher zu bewerten ist als die Meinungsfreiheit der Beklagten, ließ das Gericht jedoch ausdrücklich offen.

Unauffällig sollte er für diejenigen bleiben, die er schon als Abiturient im Alter von 18 Jahren für die Stasi zu bespitzeln begann. 1980 war es, als vier seiner Mitschüler verhaftet wurden. S. hatte sich von ihnen ein Liederbuch mit Texten unter anderem der suspekten Liedermacher Bettina Wegener und Gerulf Pannach geborgt. Seine Auftraggeber bescheinigen ihm „überdurchschnittliche Intelligenz“, Parteilichkeit und Ausdauer. Bewusst wird er auf die Junge Gemeinde der Kirche in Neumark und bestimmte Mitschüler angesetzt, deren Vertrauen er offenbar erringen kann. „In Anerkennung guter Leistungen bei der Zurückdrängung feindlicher Erscheinungen an der EOS Reichenbach“ erhält der junge „IM Schubert“ bereits 200 Mark.

So geht es mit Geschenken weiter. Eine Westerngitarre, rare Volkskunstartikel, 1980 eine Reise zu den Olympischen Sommerspielen in Moskau. Auch an der Bergakademie Freiberg setzt sich das Doppelleben des Studenten fort. In der Evangelischen Studentengemeinde und in der Umwelt- und Friedensbewegung soll er laut Instruktion stets „in der zweiten Reihe dabei sein“. Der 23-jährige lässt sich zwecks perfekter Tarnung sogar noch taufen.

„Das war kein Mitläufer, sondern ein Premium-Spitzel“, sagt Pfarrer Edmund Käbisch über ihn. Seit sich Holm S. mit ihm und anderen Machern der Ausstellung angelegt hat, bekommt er häufiger Post von denen, die ihn in ihrer Stasi-Akte als Denunzianten entdeckt haben. Erinnerung sei nicht zu verhindern, heißt es darin. 15 Unterzeichner eines offenen Briefes boten ihm deshalb ein Gespräch an. Das Angebot steht noch immer.

MICHAEL BARTSCH