Abholzung in Kanada gefährdet Weltklima

Buschfeuer und Borkenkäfer – die Erderwärmung setzt den Urwäldern Kanadas zu. Das verstärkt den Klimawandel

BERLIN taz ■ Kanadas Urwälder könnten die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen aufnehmen – und das 27 Jahre lang. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von Greenpeace und der Universität von Toronto. Doch was klingt wie ein Freibrief zum Verheizen von Kohle und Erdöl, ist nach Ansicht der Umweltschützer eine ernsthafte Gefahr: Denn die Wälder sind selbst durch den Klimawandel bedroht. Denn: Wird der Waldbestand Kanadas vernichtet, würde so viel Kohlendioxid freigesetzt, wie die Welt in 27 Jahren ausstößt – 186 Milliarden Tonnen.

Lange Zeit galten alte Wälder in den Augen der meisten Wissenschaftler als weitgehend CO2-neutral. Was nicht mehr viel wächst, kann auch nicht mehr viel CO2 aufnehmen. Doch in letzter Zeit zeigen verschiedene Studien, dass gerade alte Wälder weitaus mehr CO2 absorbieren als gedacht. Noch nach 200 Jahren schlucken sie das Treibhausgas. Durchaus problematisch, denn es sind nicht nur die Abholzungen der Holz- und Papierindustrie, die die Wälder in Kanada bedrohen – die Abholzung setzt in Kanada jährlich mehr CO2 frei als der Personenverkehr. Es ist auch die Erderwärmung selbst, die mit steigenden Temperaturen die Intensität der Dürreperioden erhöht – und damit Buschfeuer begünstigt. 7,6 Millionen Hektar Wald brennen jedes Jahr in Kanada, das ist mehr als die Größe Irlands. Die Feuerintensität in den Regionen hat sich von 1970 bis 1990 verdoppelt. „Kohlenstoffbombe“ nennen die Umweltschützer daher die Wälder. Das freigesetzte Kohlendioxid verschärft wiederum den Klimawandel, die Temperatur steigt weiter. Ein Teufelskreis.

In seinem jüngsten Gutachten stellte der UN-Weltklimarat IPCC im November seine Prognosen zum Temperaturanstieg in den borealen Regionen vor, also jenen, in denen die Urwälder der kälteren Klimazonen liegen: 4 bis 10 Grad Celsius mehr erwarten die Experten hier in den nächsten 50 bis 100 Jahren.

Die Temperatur wirkt sich aber nicht nur auf die Buschfeuer aus. Mit den milderen Sommern kommt auch der Borkenkäfer, einer der größten tierischen Feinde des Waldes. Und das Eis geht. Über die Hälfte der Permafrostböden, die sich im Norden Kanadas ausbreiten, ist mit Wald bedeckt. Der, so die Vermutung der Wissenschaftler, verlangsamt das Auftauen des Bodens. Taut der Boden, setzt er wiederum Treibhausgase frei, vor allem das 21-mal so klimaschädliche Methan.

Würden vergeichbare Einflüsse auf einen Urwald zum Beispiel im Amazonas einwirken – ihre Folgen wären geringer, sind sich die Autoren sicher. Denn auch für Wälder gilt eine der Grundregeln der Biodiversität: Je größer die genetische Vielfalt eines Systems, desto widerstandsfähiger ist es. Schlecht für die borealen Wälder, beherbergen sie doch traditionell nur wenige Spezies.

„Derzeit sind nur gut 8 Prozent der kanadischen Wälder geschützt, während drei Viertel in der Hand von Holzfäller-Unternehmen sind“, kritisieren die Autoren. Sie fordern einen besseren Schutz der Wälder durch die Politik. Damit die Kohlenstoffbombe nicht bald explodiert.

SVENJA BERGT