Eine Frage von Macht und Überleben

Mehr als ein Liebhaberthema: Warum brauchen wir biologische Vielfalt, wer bedroht sie, und wie lässt sie sich schützen?

Was steckt hinter dem Wortungetüm „Biodiversität“? Der in den 80er-Jahren geprägte Begriff geht über die klassischen Konzepte von Arten- und Naturschutz hinaus. Biodiversität, oder „biologische Vielfalt“, meint nicht nur die Vielfalt von Arten, sondern auch die der dazugehörigen Lebensräume und die genetische Vielfalt innerhalb von Arten, die eine wichtige Voraussetzung für das Überleben in einer sich verändernden Umwelt darstellt. Das Umweltministerium findet die Bezeichnung zu kompliziert und nennt die UN-Konferenz zur Biodiversität in ihren Veröffentlichungen „UN-Naturschutzkonferenz“.

Was geht mich die biologische Vielfalt an? Wenn die Vielfalt unseres Planeten abnimmt, ist das keineswegs nur ein Problem für Liebhaber von Käfern, Vögeln oder dem Tasmanischen Beutelwolf, der Anfang des letzten Jahrhunderts ausgerottet wurde. Der Reichtum an Arten und Sorten sichert nicht nur unsere Ernährung; er ist auch Grundlage der Herstellung vieler Produkte. Allein zur Arzneigewinnung werden 10.000 bis 20.000 Pflanzenarten genutzt. Die Vernichtung von Ökosystemen wie Regenwäldern oder Feuchtgebieten bedroht zudem das Klima und die Trinkwasserversorgung.

Wer stellt sich dem Erhalt der Vielfalt in den Weg? Ursache für Artensterben ist die Vernichtung des Regenwaldes für neue Plantagen ebenso wie die industrielle Land- und Forstwirtschaft oder die Überfischung der Meere. Die Agrarkonzerne profitieren sogar davon, wenn die natürliche Sortenvielfalt abnimmt, denn dann wächst der Markt für standardisiertes, oft patentiertes Saatgut.

Was tut die Politik? Sie hat immerhin erkannt, dass sie etwas tun muss, doch die Fortschritte sind bisher gering. Vom 19. bis 30. Mai ist Deutschland Gastgeber der UN-Biodiversitätskonferenz. 5.000 Teilnehmer diskutieren darüber, wie die biologische Vielfalt gerettet werden kann und wie Kosten und Nutzen gerecht verteilt werden können. Umwelt- und Entwicklungsorganisation, deren Forderungen deutlich weiter gehen, veranstalten vom 12. bis 16. Mai eine internationale Alternativkonferenz unter dem Titel „Planet Diversity“.

Was kann ich selbst für die biologische Vielfalt tun? Im eigenen Garten hilft nicht nur der Verzicht auf Pestizide, sondern generell eine möglichst große Naturnähe. Auch beim Einkauf kann jeder Einfluss nehmen: Verzicht auf Tropenholz und exotische Spezialitäten sollte selbstverständlich sein. Weniger Rindfleischkonsum hilft dem Regenwald, weil das Tierfutter oft von gerodeten Flächen stammt. Auch wer regionale Gemüsesorten den genormten Industrielebensmitteln vorzieht, unterstützt die Vielfalt. Und gegen die industrielle Landwirtschaft, die hierzulande zu den größten Bedrohungen der Natur gehört, hilft der Kauf von – möglichst regionalen – Bioprodukten. Weil viele Probleme jedoch nicht individuell, sondern nur politisch gelöst werden können, braucht es zudem ein möglichst breites Engagement für diese Fragen. MKR, HG, AJ