Gesunde Patientinnen

Als letztes Bundesland wird in Hamburg das Mammografie-Screening eingeführt. Die Brustkrebs-Reihenuntersuchung ist allerdings umstritten

VON ELKE SPANNER

Als letztes Bundesland führt Mitte April auch Hamburg das Mammografie-Screening ein, die Brustkrebs-Reihenuntersuchung für Frauen zwischen 50 und 65 Jahren. Das dafür eingerichtete Zentrum wird ab dem 15. April die ersten Patientinnen empfangen, und schon in dieser Wortwahl offenbart sich ein Problem: Kritiker warnen, dass alle Frauen der entsprechenden Altersgruppe als potentiell krebskrank behandelt würden. Schon die schriftliche Aufforderung zur „Abklärungsuntersuchung“ könnte bei Frauen Ängste auslösen, sagt Christine Klemm, Ärztin bei der „Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD)“. Die UPD bietet den Frauen Beratung an. Die soll ihnen bei der Entscheidung helfen, ob sie das Angebot zur Vorsorgeuntersuchung wahrnehmen.

Ziel des Mammografie-Screening ist es, durch Röntgenaufnahmen der Brust Tumore frühzeitig zu entdecken. Statistisch gesehen wird durch diese Art der Früherkennung ein Tumor vier Jahre früher erkannt. Bisher wurde die Mammografie allen Frauen empfohlen, bei denen ein konkreter Brustkrebsverdacht besteht oder die einer Risikogruppe angehören. Neu ist nun die Reihenuntersuchung an Gesunden.

Das Mammografie-Screening wurde zuerst in Bremen in einem Modellversuch erprobt, ehe es seit 2005 sukzessive in allen Bundesländern eingeführt wird. Weitreichendere Erfahrungen gibt es schon aus anderen Ländern. Eine der bisher umfassendsten Studien dazu wurde in Schweden erstellt, an der Universität Malmö. In dieser waren die Ergebnisse nicht nur positiv. Die Forscher kamen zwar zu dem Ergebnis, dass von 2.000 Frauen eine durch das Screening und die frühzeitige Diagnose vor dem Krebstod gerettet werden konnte. Bei 200 Frauen aber wurde zunächst ein falscher Verdacht ausgesprochen, der erst nach weiterführenden Untersuchungen wieder ausgeräumt werden konnte. In der Zwischenzeit mussten die Frauen über Wochen mit dem Verdacht leben. Und: Die Wissenschaftler ermittelten eine Quote von zehn Prozent „Überdiagnosen“: Bei Frauen wurde wegen Gewebsveränderungen Brustkrebs diagnostiziert, die daran womöglich niemals erkrankt wären. „Es gibt Vorstufen von Krebs, die zu Lebzeiten der Frau nie relevant würden“, sagt Klemm. Diese Gewebsveränderungen seien oft über die ganze Brust verteilt, so dass bei der Therapie aufgrund eines solchen Befundes sogar die ganze Brust abgenommen werden müsste, während man nach der Entdeckung eines bösartigen Tumors versuchen würde, brusterhaltend zu operieren. Die psychische Belastung der betroffenen Frauen sei enorm. „In solchen Fällen ist die Mammografie keine Vorsorge, sondern eine Vorverlegung der Sorge“, mahnte schon vor Jahren der Bremer Experte Klaus Giersiepen vom „Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS)“ .

Der Verein „Mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs“ kritisiert zudem, dass Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die ihre Brust untersuchen lassen wollen, nun gezwungen seien, an der anonymen Reihenuntersuchung teilzunehmen, statt zu einem Arzt ihres Vertrauens zu gehen. Zudem werde die Diagnostik nun alleine auf die Mammografie beschränkt, die je nach Drüsengewebsdichte und familiärer Risiko-Situation unterschiedlich zuverlässig sei. Bei der bisherigen individuellen Vorsorge konnte die Mammografie beispielsweise durch Ultraschall ergänzt werden.

Fachleute sind sich darin einig, dass allen Frauen, die die Einladung zur Mammographie erhalten, eine individuelle Beratung angeboten werden müsste. Die aber ist regulär nicht vorgesehen. Die Frauen haben beim Screening nicht einmal Kontakt zu einem Arzt. Eine röntgentechnische Assistentin fertigt die Aufnahmen an, den Befund bekommen die Frauen dann rund eine Woche später – per Post. Deshalb bietet sich die UPD als Ansprechpartnerin an, vor der Mammografie ebenso wie danach.

UPD-Hotline ☎ 01803 / 117 722