Gefährliche Liebe

Stalking: Das Hamburger Landgericht verhandelt über einen Mann, der eine Frau über Jahre hinweg belästigte und schließlich niederstach. Sie überlebte nur knapp. Er sieht die Schuld für alles nur bei ihr: „Sie hat mich ignoriert“

Im Leben von Peter R. gibt es nur einen Menschen, und der ist er selbst. Zwar handelt diese Geschichte noch von einer Frau, die von außen betrachtet die Hauptfigur ist. Über Jahre hinweg hat der 42-Jährige sie terrorisiert und schließlich fast getötet. Ihre Sicht der Dinge aber nimmt er nicht ein. Peter R. verschränkt die Arme vor dem weißen Sweatshirt, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und gibt ausführlich Auskunft darüber, wie Janine M. sein Leben zugrunde gerichtet haben soll. Er habe sich in sie verliebt, sie aber habe ihn ignoriert. Sie habe das Gespräch verweigert und ihn von der Polizei „als Stalker verfolgen lassen“. Am 9. Oktober vorigen Jahres eskalierte die Situation: Wieder einmal hatte Peter R. ihr vor ihrer Wohnung in Hamburg-Stellingen aufgelauert. Sie rief wieder einmal die Polizei, er zog ein Messer und stach zu, siebenmal. Janine M. kam nur knapp mit dem Leben davon.

Vor dem Hamburger Landgericht ist Peter R. wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Janine M. hat in dem Prozess noch nicht ausgesagt. Die objektiven Fakten aber stehen in den Polizeiakten: Immer wieder hatte die Frau sich hilfesuchend an die Polizei gewandt. Janine M. und Peter R. hatten sich im Herbst 2002 kennen gelernt, er kam als Patient in die Praxis der Krankengymnastin. Aus der physiotherapeutischen Behandlung entwickelte sich für die 24-Jährige ein Martyrium: Wo sie auch war, Peter R. lauerte ihr auf. Die Polizei, an die sie sich verzweifelt wandte, forderte Peter R. wiederholt auf, die Frau in Ruhe zu lassen. Im März 2005 erwirkte Janine M. vor dem Amtsgericht eine einstweilige Verfügung, durch die Peter R. untersagt wurde, sich ihr zu nähern. Doch er kümmerte sich nicht darum. „So wie ich von Frau M. behandelt worden bin, hat mich wenig interessiert, was in dieser Verfügung steht.“ Am Tat vor der blutigen Tat noch warnte ihn eine Beamtin, dass er beim nächsten Mal in Ordnungshaft käme. „Mich hat erstaunt, dass Frau M. so dreist war, jetzt sogar Ordnungshaft auf mich zukommen zu lassen.“

Der Fall offenbart nicht nur die Hilflosigkeit der Stalking-Opfer, sondern auch der Polizei und Justiz im Versuch, diese zu schützen. Das Nachstellen einer Person ist seit 2007 strafbar, aber Strafe wird immer erst rückwirkend verhängt. Pathologische Stalker aber, wie es medizinisch heißt, denken fortwährend daran, wie sie sich ihrem Opfer nähern können, und nicht daran, dass sie dafür eventuell später Geld bezahlen müssen. Die Gerichte können zwar verfügen, dass sich jemand seinem Opfer nicht nähern darf. Doch auch das interessiert manche Täter kaum. Durchsetzen kann die Polizei das Annäherungsverbot nur schwer. Festnehmen kann sie den Stalker erst, wenn der tätlich geworden ist. Viele Opfer sind schon vorher psychisch traumatisiert.

Peter R. ist ein intelligenter Mann. Seine Version der Geschichte ist zwar geschmückt mit absurden Details. So will er Janine M. als „Edelmätresse“ entlarvt haben und von einem Nachbarn mittels Wanzen in seiner Wohnung abgehört worden sein. Doch er redet nicht wirr. Das Problem liegt in der kompletten Fehleinschätzung der Situation. Auch zur Einsicht, dass er möglicherweise unter krankhaftem Liebeswahn leiden könnte, ist er nicht bereit. „Ich habe die Vermutung, dass ich hier als mit Wahnvorstellungen behafteter Stalker hingestellt werden soll“, sagte Peter R. vor Gericht. „Mein einziges Problem aber ist, dass ich mich in diese Edelhure verliebt habe.“ Der Prozess wird fortgesetzt. ELKE SPANNER