Reis hat seinen Preis

Bangladesch: Weil Indien und China Reislieferungen stoppen, rutschen die Armen in eine „stille Hungersnot“

DELHI taz ■ Bangladesch trifft die Steigerung der Preise für Grundnahrungsmittel besonders hart. Denn bei einem tropischen Zyklon vor wenigen Wochen wurde ein beträchtlicher Teil der Ernte zerstört. Die Reisknappheit in ganz Asien verschlimmert die Lage noch – und hat zu einer paradoxen Situation geführt. Denn während es in Bangladesch an Reis mangelt, hängen an der Grenze zum Nachbarn Indien auf indischer Seite hunderte von Lkws mit Reis fest.

Der Grund: Um einen Engpass im eigenen Land zu verhindern, hat die indische Regierung in den vergangenen Tagen den Exportpreis von Reis für den Nachbarn drastisch erhöht. Indien verlangt nun 650 Dollar pro Tonne, Bangladesch fordert die Rückkehr zum alten Preis von 400 Dollar. Solange beide Länder keine Einigung erzielen, steht die Reiseinfuhr still.

„Wir fühlen wirklich die Last durch den steigenden Reispreis“, sagte AMM Shawkat Ali, ein Mitarbeiter der Behörde für Lebensmittel- und Naturkatastrophenmanagement. Denn auch China hat die Ausfuhr des in Asien so wichtigen Grundnahrungsmittels aus Angst vor Preissteigerungen eingeschränkt. Und so ist der Preis für Reis in Bangladesch bereits um mehr als die Hälfte gestiegen; auf manchen Märkten hat er sich bereits verdoppelt. Auch die Preise für Mehl, Zucker und Zwiebeln sind in den Städten Bangladeschs auf einem Rekordhoch.

Die Leidtragenden sind die städtischen Armen, die ohnehin mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden müssen. 40 Prozent der Menschen in Bangladesch verfügen laut offiziellen Statistiken über weniger als einen Dollar am Tag und geben den Großteil ihres Einkommens für Nahrung aus. Sie trifft die Preissteigerung der vergangenen Monate besonders heftig. Akbar Ali Khan, der Vorsitzende der staatlichen Kommission für Regulierungsreformen, spricht bereits von einer „stillen Hungernot“.

Das militärisch gestützte Übergangsregime in Bangladesch sieht die dramatischen Preissteigerungen mit Sorge. In Indonesien, Pakistan und Malaysia kam es bereits zu Unruhen wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise. In Bangladesch verhinderte die Militärregierung im August nur mit einem massiven Polizeiaufgebot und dem Einsatz von Soldaten in den vier größten Städten des Landes, dass sich Studentenproteste zu Massendemonstrationen gegen die Regierung ausweiteten. Etliche Arme hatten sich wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise den Studenten angeschlossen.

Die reichen Länder der Welt, einschließlich der im Geld schwimmenden Ölförderer, müssten Bangladesch unter die Arme greifen, um die Preisinflation zu bewältigen, erklärte das UN-Entwicklungsprogramm UNDP am Mittwoch nach einem dreitägigen Besuch seines Chefadministrators Kemal Dervis in dem Land. „Die internationale Gemeinschaft kann diese gigantischen Verschiebungen nicht sich selbst überlassen.“

SASCHA ZASTIRAL