Schwarz-Grün oder Opposition?

Vor den Sondierungsgesprächen mit der CDU: Anmerkungen des früheren GAL-Umweltsenators Alexander Porschke zur Entscheidungsfindung der Hamburger Grünen – mit Rückblick auf Rot-Grün

ALEXANDER PORSCHKE, 54, war zehn Jahre lang Bürgerschaftsabgeordneter der GAL und von 1997 bis 2001 Umweltsenator.

VON ALEXANDER PORSCHKE

In den nächsten Wochen werden wir Hamburger Grünen darüber entscheiden müssen, ob die erreichbaren sachlichen Zugeständnisse einer Koalition schwerer wiegen als die mit einer Regierungsbeteiligung verbundenen Zumutungen an uns – nicht nur auf sachlicher Ebene.

Ich möchte mit drei Aspekten aus meiner intensiven Erfahrung mit Rot-Grün für eine ernsthafte Prüfung plädieren: Zuerst einmal geht es bei der Entscheidung meines Erachtens nicht um Schnittmengen, also diejenigen Bereiche, wo beide Seiten eine ähnliche Politik machen würden. Auch in der Zeit der rot-grünen Regierung von 1997 bis 2001 ging es vielmehr eher um Erweiterungsmengen: Die SPD hätte zum Beispiel von sich aus weder den Moorgürtel unter Schutz gestellt, noch die Hamburger Ehe eingeführt. Andererseits hätten wir die Elbe nicht vertieft, die Bindung der Hafencity an den Altenwerder-Ausbau vermieden und auch keine Brechmitteleinsätze eingeführt. Es stellt sich deshalb weniger die Frage, wo beide Seiten Entscheidungen in gleicher Weise treffen, sondern vor allem, auf was sie sich in den Verhandlungen verständigen können. Es geht danach also weniger um „entweder – oder“ als mehr um „sowohl als auch“.

Zum Zweiten: Die politische Nähe zur SPD hat uns Grünen in der gemeinsamen Koalition oft auch geschadet. Mit der SPD gab es nämlich einen Dauerwettbewerb um Erfolgszuschreibungen. Sie hat uns kaum einen Erfolg gegönnt. Ein Beispiel aus dem Umweltbereich war das mühsam der SPD in Haushaltsberatungen abgerungene Nationalpark-Infohaus auf Neuwerk. Selbst diesen eher kleinen Punkt hatte die damalige SPD-Umweltabgeordnete kurz nach unserem Verhandlungserfolg durch einen Bürgerschaftsantrag für sich und die SPD vereinnahmen wollen. Verständlich ist so etwas, gerade weil wir eher um die gleichen Wählergruppen konkurrieren. Uns hat diese Praxis jedoch massiv geschadet, weil in der Öffentlichkeit die grünen Erfolge immer weniger zu erkennen waren.

Zum Dritten fehlte der SPD die Souveränität in Wirtschafts- und Verkehrsfragen, über welche in Hamburg die CDU verfügt. Wenngleich in Wirtschaftsfragen zwar selbst schon konservativ, wurde die SPD jedoch außerdem von der Handelskammer und dem Industrieverband unter ständigem Druck zu Gunsten der CDU gehalten. In dem Punkt könnte eine Zusammenarbeit mit der CDU andere Spielräume bergen.

So ist uns zum Beispiel in den vier Rot-Grün-Jahren lediglich eine 1,5-prozentige Erhöhung des Hafengeldes gelungen, mit welchem die Wirtschaft an den Kosten des Hafens beteiligt wird. Die CDU hat diesen Beitrag dagegen allein von 2006 bis 2008 um 13% Prozent erhöht. Ein Indiz in der Verkehrspolitik scheint mir zum Beispiel die Handhabung autofreier Tage zu sein: Unter Rot-Grün war uns zwar eine deutlich breitere gesellschaftliche Mobilisierung gelungen. Den Nulltarif im ÖPNV hatte uns die SPD jedoch nicht zugestanden. Das war zuletzt bei der CDU anders.

Meines Erachtens haben wir unter Rot-Grün auch die Erfahrung gemacht, dass es darauf ankommt, wie man eine Regierungsbeteiligung gestaltet. Nicht die Schnittmengen, sondern die erkennbaren Fortschritte in Sachen Klimaschutz, Integration und gerechten Bildungschancen sind für uns wichtig. Vielleicht müssen wir Klimaschutzanstrengungen künftig mehr mit dem christlichen Motiv „Bewahrung der Schöpfung“ als mit „Solidarität der Generationen“ begründen. Darauf käme es mir nicht an, wenn wir in der Sache wirklich voran kämen.

Natürlich haben wir uns über die CDU in den letzten Jahren so oft geärgert, dass keine echte Freude beim Blick auf Schwarz-Grün aufkommen kann. Das war aber auch bis 1997 bei der SPD der Fall. Wir sollten uns jedoch bei dieser wichtigen Entscheidung zwischen Opposition und Schwarz-Grün nicht beirren lassen. Weder von unseren eigenen, vom Wahlkampf motivierten Zuspitzungen noch von liebgewordenen und identitätsstiftenden Ressentiments.

Für ein zukunftsfähigeres Hamburg haben wir keine Chancen zu verschenken. Wenn sich bei Sondierungsgesprächen mit der CDU Chancen erkennen lassen, sollten wir sie in Koalitionsgesprächen genau auf ihre Substanz hin überprüfen. Und wenn die Substanz nicht ausreicht, werden wir eben wieder aus der Opposition heraus arbeiten.