heute in bremen
: „Vorhandene Infrastruktur zerstört“

Thomas Seibert referiert über humanitäre Verwüstung

taz: Herr Seibert, war die Spendenflut nach dem Tsunami selbst eine Monsterwelle?

Thomas Seibert, medico international: In Sri Lanka war sie das mit Sicherheit.

Aber medico international ist da doch selbst engagiert… !?

Wir hätten das normalerweise nicht gemacht – weil wir sonst nur in den Gebieten aktiv werden, wo wir bereits mit lokalen Organisationen vernetzt sind. In diesem Fall haben wir zusammen mit den kirchlichen Hilfswerken Kontakt zu örtlichen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) aufgenommen. Uns war klar, dass wir dort tätig werden mussten – auch um uns an einer anschließenden Debatte beteiligen zu können. Denn natürlich sind dort sämtliche Probleme der Hilfe in verschärfter Form auftreten.

Zum Beispiel?

Es sind gut 300 Hilfsorganisationen in dieses Land gedrängt, die keine Ahnung von der Region hatten. Viele hatten ihre Pläne im Kopf und haben die abgespult. Und sich dabei auch in kultureller Hinsicht daneben benommen.

Inwiefern?

Das fängt schon bei ganz Alltäglichem an: Zum Beispiel wurden oft keine getrennten Toilettenanlagen aufgestellt. Das ist in dieser Kultur ein unglaublicher Affront. Viele Organisationen hatten gar nicht realisiert, dass sie sich in ein Bürgerkriegs-Gebiet begeben. Besonders fatal ist, wie die internationalen NGOs da aufgetreten sind: Die sind eingeflogen mit Laptops, Chefs und Jeeps. Diese weißen Jeeps nennt man dort mittlerweile „Mongster“…

Mongster?

Aus Monster und NGO. Was sie nicht dabei hatten war: Personal. Das haben sie örtlichen Organisationen abgeworben – und damit vorhandene Infrastruktur zerstört.

War die Hilfe denn nachhaltig?

Nein. Man hat die Tsunami-Opfer meist im Landes-Inneren in Notunterkünfte verbracht. Diese waren für maximal zwei Jahre geeignet. Die internationalen NGOs sind längst abgereist. Aber die Leute leben noch immer da. Die meisten sind Fischer – die nicht wissen, was sie im Landesinneren sollen. Nur der Staat freut sich über den Zugriff auf die Küsten.

Für den Tourismus?

So ist es.

Aber gibt es denn gar keine Positiv-Beispiele?

Doch – etwa die anfängliche Zusammenarbeit von singhalesischen Stellen und tamilischer Hilfsorganisation: Da hatte man große Hoffnungen, dass es zu einem Friedensprozess führt. Aber das ist kaputt gemacht worden.

und in Zukunft?

Es würde sich alles wiederholen: Die Fehler sind in keiner Weise reflektiert worden. FRAGEN: BES

Der Tsunami nach dem Tsunami, Vortrag, Villa Ichon 20 Uhr