peymann, brecht etc.
: Die Waffen des Theaters

Auch entschärfte Waffen sind mitunter gefährlich, wenn auch anders, als man denkt. Diese Erfahrung machte diese Woche das Berliner Ensemble, das mit Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ in einer Inszenierung von Claus Peymann zum Fadjr-Theater-Festival nach Teheran gereist war. Schon in Berlin begann der Ärger, als ein Häuflein Demonstranten kurz zuvor zu Peymanns jüngster Premiere mit Spruchbändern, die gegen seine Reise in ein „antisemitisches Terrorregime“ protestierten, aufmarschiert waren. „In einer Welt, die sich schon lange in einer neuen Form des Kalten Krieges befindet und in der bedrohlich die Waffen gegeneinander aufgestellt sind, muss die Kunst, müssen die Künstler, müssen die Theaterleute Grenzen überschreiten“, verteidigte das Haus seine Reise, noch ahnungslos gegenüber dem Kommenden. Denn schwer machten es ihm dann die Gastgeber in Teheran, die zu wenig Hotelzimmer bestellt hatten, zu wenig Probenzeiten zur Verfügung stellten, Bilder im Programmheft geschwärzt haben wollten und schließlich, bei einer Sicherheitskontrolle vor einem Auftritt des Präsidenten Ahmadinedschad, die Theaterwaffen beschlagnahmten. Spürhunde hatten sie in den Requisitenkisten erschnuppert. Mit ihnen kann man nicht scharf schießen, aber laut knallen. Als sie zurückgegeben wurden, ging nicht mal mehr das.

Möglicherweise hat dieser Aufstand wegen zweier Gewehre und einer Pistole den Regisseur daran erinnert, wie eine Theaterwaffe ihn schon einmal in die Bredouille gebracht hat. Das war 1977, Teil der berüchtigten Zahnspendenaffäre. Damals wurde Peymann, Intendant in Stuttgart, massiv öffentlich angegriffen, weil er einem Aufruf gefolgt war, Geld für die Zahnbehandlung der in Stammheim inhaftierten RAF-Häftlinge beizusteuern. Die Stimmung gegen ihn wurde mit einem Gerücht angeheizt, dass eine der Pistolen, die bei einem Angriff der RAF auf die Deutsche Botschaft in Stockholm zum Einsatz gekommen war, aus dem Stuttgarter Theaterfundus stamme. Die Gruppe Rimini-Protokoll hat die Geschichte im letzten Herbst zum Teil ihres Stücks „Peymannbeschimpfung“ gemacht, in dem Peymann die Hassbriefe und Morddrohungen, die mit dem terroristischen Furor von Kleinbürgern auf ihn einprasselten, genüsslich vorlas.

Mit den Waffen des Theaters hat sich sein Ensemble übrigens auch in Teheran den Fallen, die ihr Spiel erschwerten, gestellt. Wo immer die iranischen Sittenwächter eine Szene beanstandeten, etwa weil sich Frau (Mutter Courage) und Mann (ihr Sohn Eilif) umarmen, froren sie das Bild kurz vor der Berührung ein – und wurden dafür gefeiert.

KATRIN BETTINA MÜLLER