Die aufmüpfige Grönländerin

Juliane Henningsen, 23, ist Abgeordnete der linken grönländischen Partei Inuit Ataqatigiit. Ihr Abstimmungsverhalten und ihre bohrenden Nachfragen bringen die „Dänen“ auf die Palme FOTO: FOLKETING

So eine wie sie, die „aus dem Inlandeis hierher gekommen“ sei, habe hier gar nichts zu sagen, musste sich Juliane Henningsen dieser Tage beschimpfen und fragen lassen, warum sie eigentlich „nicht zu Hause geblieben“ sei. Die 23-jährige Studentin ist eine der beiden Abgeordneten, die Grönland ins Folketing nach Kopenhagen schicken darf. Für die linke Partei Inuit Ataqatigiit sitzt sie seit Herbst 2007 im Parlament des „Mutterlands“.

Dort musste sie nun erfahren, wie es ist, wenn da jemand aus Grönland als „aufmüpfig“ empfunden wird oder gar „falsch“ abstimmt. Die lange Liste von Anwürfen reichte bis zu unverblümten Drohungen, dass so ein Verhalten den grönländischen Selbstständigkeitsbestrebungen gar nicht guttue. „Die Masken sind gefallen“, kommentierte das ein Politiker der ebenfalls zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln: Als Grönländer oder Färinger habe man also im Parlament zu kuschen. „Herrenvolkmentalität“, empörte sich die linke Zeitung Information: Die „Fratze des Kolonialismus“ habe sich mal wieder gezeigt.

Denn wie das in der Praxis aussieht, mit den „gleichberechtigten Nationen“ innerhalb des Königreichs Dänemark, welche Grönland und die Färöer nach der Verfassung sind, erlebte Henningsen in den vergangenen Wochen gleich mehrfach. So auch, als herauskam, dass Kopenhagen in bester Kolonialherrenmanier den USA jahrelang erlaubt hatte, einen grönländischen Flugplatz für Zwischenlandungen der berüchtigten Gefangenentransportflüge der CIA zu benutzen. Grönländische Politiker wurden natürlich nicht informiert, dafür aber auf Nachfrage angelogen.

„Verletzend“ sei ein solcher Umgang, beklagte sich Henningsen, und eine „Kränkung Grönlands“, wenn Dänemark dort Beihilfe zu menschenrechtswidriger Folter leiste: „Und dann droht man uns noch mit wirtschaftlichen oder politischen Sanktionen, wenn wir unsere demokratischen Rechte wahrnehmen.“ Bei der Abgeordneten mit Rückgrat, die sich in einem Land mit 64 Prozent RaucherInnen in der Bevölkerung für ein totales Rauchverbot engagierte, dürften Einschüchterungsversuche allerdings zum Scheitern verurteilt sein. Geboren in Ilulissat am weltbekannten und auch von Bundeskanzlerin Merkel schon besuchten Isfjord, dem Schaufenster des Klimawandels, wurde sie gleich nach dem Abitur 2005 als jüngste Abgeordnete ins grönländische Landesparlament gewählt. Ins dänische Folketing ist sie gekommen, um etwas zu verändern: „Ich sehe vor mir Grönland als ein selbstständiges Land. Das wird ein Kampf, aber den werden wir gewinnen“, sagt die Abgeordnete.

REINHARD WOLFF