Die heimatlose Schriftstellerin

Taslima Nasrin sollte jetzt von Frankreichs Präsident bei dessen Indienbesuch den Beauvoir-Preis bekommen. Doch die Angst der indischen Behörden verhinderte dies FOTO: ULF ANDERSEN/GETTY IMAGES

Frauen haben keine Heimat“ ist der Titel ihres letzten Buches. Er beschreibt treffend die Situation, in der sich die aus Bangladesch stammende Schriftstellerin Taslima Nasrin befindet: Die 45-Jährige ist seit 1994 auf der Flucht.

Seit den frühen Neunzigerjahren prangerte Nasrin in Zeitungskolumnen die Situation der Frauen in ihrem Land an. Dabei hatte sie ihr früherer Beruf geprägt: Nasrin arbeitete als Ärztin. Ihre Patientinnen waren Frauen, die geschlagen, missbraucht und gebrochen worden waren und in der religiös aufgeladenen Männergesellschaft kaum gegen ihr Schicksal aufbegehren konnten. 1994 löste Nasrin mit ihrem Debütroman „Scham“ einen Aufschrei unter Islamisten aus. In dem dokumentarischen Buch schildert sie, wie Islamisten eine Hindu-Familie aus dem Land treiben. Eine religiöse Splittergruppe forderten Nasrins Hinrichtung wegen „Blasphemie“. Auf Einladung des schwedischen PEN-Clubs und mit Unterstützung der schwedischen Regierung setzte sie sich 1994 ins Ausland ab. Seither lebte sie in Stockholm, Berlin und New York und wurde schwedische Staatsbürgerin.

Doch im Westen hielt sie es nicht lange aus. 2005 zog sie in die Kulturmetropole Kalkutta, Hauptstadt des indischen Bundesstaates Westbengalen. Sie hoffte, im Vielvölkerstaat Indien die Heimat zu finden, die sie wegen ihrer islamkritischen Werke verloren hatte. Doch Westbengalens kommunistische Regierung wollte es sich mit der muslimischen Minderheit nicht verscherzen. Nasrin erhielt kein dauerhaftes Bleiberecht, sondern muss ihr Visum regelmäßig verlängern lassen. Ihr Ruf nach der indischen Staatsbürgerschaft blieb ungehört. 2003 verbot Westbengalen ihr Buch „Dwikhandito“.

Auch in Indien benutzten Fanatiker Nasrin, um sich Gehör zu verschaffen. Der Imam der Großen Moschee von Delhi bot demjenigen Geld, der ihr das Gesicht schwärzen würde. Im November wandelte sich eine Demonstration in Kalkutta zum gewalttätigen Protest gegen Nasrin. Westbengalens Regierung flog sie überstürzt nach Radschasthan aus. Nach einer Irrfahrt landete Nasrin in Delhi und lebt seitdem abgeschirmt an unbekanntem Ort.

Nicht einmal Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der gerade zu Besuch in Delhi ist, darf sie treffen. Er wollte ihr den renommierten Simone-de-Beauvoir-Literaturpreis übergeben. SASCHA ZASTIRAL