die taz vor elf jahren über den kampf der pds gegen ihre vergreisung
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Manches in der Politik erledigt sich von selbst. Die PDS ist eines dieser Phänomene, meinte man im Westen jahrelang, das genauso schnell wieder verschwindet, wie es aufgetaucht ist. Alles eine Frage des Siegeszugs von Freiheit und Marktwirtschaft im Osten.

Nun ist das mit dem Siegeszug im Osten bekanntlich so eine Sache – und die PDS ist mehr denn je ein Phänomen, nur ein ganz anderes, als man es sich im Westen ursprünglich gewünscht hatte. Dennoch merken die selbsternannten demokratischen Sozialisten, daß auch sie irgendwann den Weg alles Irdischen gehen: Der PDS sterben die Genossen weg. Allein im vergangenen Jahr verlor die Partei so 10.000 Mitglieder.

Erledigt sich die PDS also doch von selbst?

Gemach, gemach, kann man da Richtung Westen nur sagen. Die PDS ist mit 105.000 Mitgliedern nach wie vor die stärkste Partei im Osten. Die Grünen haben bundesweit nicht einmal halb so viele Mitglieder. Einige Kreisverbände der PDS sind stärker als die Grünen im gesamten Osten. Mehr noch: Die Genossen haben auch mehr Zeit als alle anderen; Zeit zum Plakatekleben, zur Mieterberatung, für das persönliche Gespräch. 67 Prozent von ihnen sind Rentner und Vorruheständler.

Die PDS ist für diese Genossen, die sich als Verlierer der neuen Gesellschaft sehen, oft Lebensinhalt. Der Sozialismus hat für sie in etwa die gleiche Funktion wie die katholische Kirche für die CSU. Mit einer solchen Mitgliedschaft – aufgefangen durch ein junges, freches Image von „Gysis bunter Truppe“ – lassen sich in den Kreisen und den Ländern im Osten Wahlen gewinnen.

Diese ideelle und kulturelle Vielfalt wird der PDS zwar noch eine Weile über die Runden helfen. Aber die fleißige, graue, konservative Mitgliedschaft behindert die mehrheitlich reformerische Parteiführung zunehmend in ihren Plänen, aus der PDS eine moderne linke Partei zu machen.

Jens König, taz vom 21. 10. 1997