berliner szenen Blühende Landschaft

Essen gehen in Erkner

In Erkner gibt es nur ein Restaurant. Es liegt an einem kleinen Kanal. Vom Bahnhof aus läuft man etwa einen Kilometer, vorbei an einer Tankstelle, tristen Läden und Plattenbauten. Vor Gerhart Hauptmanns Villa hält man sich links, Richtung Autobahn. Hauptmann fühlte sich hier im 19. Jahrhundert als einsamer „Kolonist“. Heute tost in Erkner donnernder Verkehr. Unter einer Brücke muss man hindurch, über die laute Güterzüge quietschen – und dann ist man, nach weiteren 100 Metern, am Ziel.

Es gibt einen Wintergarten, durch die Glastüren sieht man auf ein Schild, auf dem „Löcknitz Idyll“ geschrieben steht. Die Steaks sind durchwachsen, und der Lachs schmeckt wie aus der Mikrowelle. Als wir da waren, saß am Nebentisch ein Rentner-Paar. Beide hatten knallbunte Wollpullover an und sahen aus wie Darsteller in einer Inszenierung von Christoph Marthaler. Mit einem leichten Zittern in der Hand hob die Frau ihr großes Pils an den Mund und deutete dabei gen Osten. Ich folgte dem Blick und sah eine einzelne rote Rose in einem wüsten, leeren Beet direkt vorm Fenster. Ihre Blüte wiegte sich sanft im Wind. Aber da kam auch schon der Kellner. Das Gericht, dass wir geordert hätten, sei leider ausgegangen. JAN SÜSELBECK