Kneipp im Alter

ZUWENDUNG Mit einfachen Mitteln krempeln naturheilkundliche Ansätze die Altenpflege um – was Senioren und Pflegenden zugleich guttut

„Jede Anwendung sei auch Zuwendung“, lautet einer der Leitsätze der Kneipp-Philosophie. Gerade für die Seniorenpflege scheinen deshalb traditionelle Naturheilverfahren wie Wassergüsse, Gymnastik oder vollwertige Ernährung besonders gut zu passen. Seit 2007 wurden bundesweit bereits knapp zwanzig Senioreneinrichtungen als „Vom Kneipp-Bund e. V. anerkannt“ zertifiziert. Welche Vorteile Taulaufen im Gras, gemeinsames Kochen oder Bürstenmassagen bringen, wurde parallel erstmals wissenschaftlich untersucht – mit erstaunlichen Ergebnissen.

„Die pflegebedürftigen Bewohner in den Kneipp-Senioreneinrichtungen weisen einen überdurchschnittlich guten Gesundheitszustand auf“, berichtet Torben Lenz vom Zentrum für Qualität in der Pflege, das zunächst verschiedene Pilotstudien in Auftrag gegeben hatte. „Zudem deuten die Untersuchungen darauf hin, dass die Schmerz- und Beruhigungsmedikation nach Anwendung der Kneipp-Maßnahmen reduziert werden kann.“

Die große Mehrheit der Bewohner würde die angewendeten Naturheilverfahren als insgesamt positiv für das eigene Wohlbefinden bewerten. Die meisten der Mitarbeiterinnen hätten insbesondere die Hydro- und Bewegungstherapie sogar selbst in Anspruch genommen, die Arbeitszufriedenheit war dementsprechend sehr hoch.

Die Pilotstudien werden derzeit in Form einer vom BMFSJ finanzierten Langzeituntersuchung fortgesetzt. Die Autoren der Studie führen den bisher gemessenen Erfolg auch auf den hohen Bekanntheitsgrad von Naturheilverfahren gerade in der älteren Generation zurück. „Das Kneipp-Konzept knüpft an medizinisches Laienwissen und biografische Erfahrungen der Bewohnerschaft an und bietet diesen somit eine Pflege, die ihnen vertraut ist und die sie als Zuwendung verstehen und genießen“, schreiben die WissenschaftlerInnen von der Berliner Charité und der Universität Bern im Kneipp-Journal Januar/Februar 2015.

Zudem ließen sich viele Maßnahmen sehr einfach in den normalen Ablauf einer Senioreneinrichtung integrieren. Im Bereich kreativer oder sozialer Angebote etwa könnten die Ansätze vom Rosenkranzbeten in der süddeutschen ländlichen Senioreneinrichtung über das Singen von Marlene-Dietrich-Schlagern im kleinstädtischen Haus bis hin zum Qigong- und Yoga-Angebot einer urbanen Einrichtung reichen. Hydrotherapie werde in den Senioreneinrichtungen teils als gezielte Therapie eingesetzt, lasse sich aber auch in Form von Form von Waschungen, Bädern, Güssen sowie Hand- und Bürstenmassagen in der täglichen Grundpflege nutzen. Auch phytotherapeutische Ansätze ließen sich oft sehr einfach und kreativ umsetzen: Häufig fänden sich in Gärten und Außenanlagen der Senioreneinrichtungen zum Beispiel Beete mit Heil- und Nutzpflanzen, die von den BewohnerInnen selbst gepflückt und verarbeitet werden könnten.

„Die Einbindung naturheilkundlicher Maßnahmen in den Pflegealltag kann ein Zukunftsmodell für die Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen sein“, fasst Torben Lenz die Einzelergebnisse der Pilotstudien zusammen. Die Erkenntnisse aus den Folgestudien sollen nun offiziell im Juni 2014 vorgestellt werden. AW