Der Regierende mag’s nicht so direkt

TEMPELHOFER FELD Kritik an Michael Müllers Aussagen über eine neue Bebauungsdebatte. Er selbst kritisiert demokratische Verfahren

Die Aussage des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), über eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes werde man in absehbarer Zeit wieder „diskutieren können und müssen“, ist skeptisch aufgenommen worden. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek sprach von einem „befremdlichen Timing“ und forderte, sich auf das Beteiligungsverfahren für die Nutzung der Freifläche zu konzentrieren. Und der Verantwortliche für diese Bürgerbeteiligung, BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser, prophezeite für den Fall einer neuen Bebauungsdebatte großen Widerstand durch die Bevölkerung.

Müller hatte im taz-Interview am Mittwoch gesagt, „in einigen Jahren“ werde vermutlich „die Frage, ob eine Randbebauung nicht doch eine Möglichkeit ist, wieder eine Rolle spielen“. Allerdings erwarte er das weder in der laufenden, noch in der darauf folgenden Legislaturperiode und „wohl nicht mehr in der Dimension, die wir 2014 geplant hatten“.

Die Berliner hatten beim Volksentscheid am 25. Mai 2014 mit einer klaren Mehrheit von 64,3 Prozent für das Bürgergesetz gestimmt, das eine Bebauung auch von Randflächen kategorisch ausschließt.

Antje Kapek erinnerte daran, dass nicht nur der Gesetzentwurf der Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“ erfolgreich war, sondern ein alternativer Entwurf des Senats abgestraft wurde. „Das war eine historisch hohe Niederlage für Müller und die gesamte Koalition.“ Deshalb, so Kapek gegenüber der taz, könne man „vielleicht in zehn Jahren darüber sprechen, ob man das inzwischen wieder anders sieht“. Jetzt gelte es, sich auf das Beteiligungsverfahren zu konzentrieren. Außerdem werde ihre Fraktion in Kürze ein Konzept für die rasche Entwicklung des Flughafengebäudes vorlegen.

Als Koordinator des Planungsverfahrens sehe er Müllers Vorstoß „neutral“, so Tilmann Heuser. Es sei der Politik unbenommen, neue Diskussionen zu starten. Er habe jedoch gerade im Rahmen der Bürgerbeteiligung erlebt, welch hohe Wertschätzung das Tempelhofer Feld bei den Bürgern genieße und wie sehr nicht nur Anwohner hinter dem geltenden Gesetz stünden.

Der BUND-Geschäftsführer räumte ein, dass niemand die Zukunft voraussagen könne: „Wenn Berlin irgendwann einmal 4,5 Millionen Einwohner hat, könnte der Handlungsdruck steigen.“ Ob man den derzeitigen Bevölkerungszuwachs so fortschreiben könne, sei aber völlig offen.

Heuser kritisierte die Haltung des Regierenden Bürgermeisters und seines Senators für Stadtentwicklung, Andreas Geisel (SPD), die Gegner von Bauprojekten als Egoisten zu beschimpfen. Tatsächlich übte Michael Müller unlängst auf einem IHK-Podium Kritik an direkter Demokratie, wie sie in Bürgerbegehren zum Ausdruck kommt. Er sorge sich, dass diese Verfahren Instrumente „für einige wenige“ mit „Zugang zu Medien, zu Geld, zu großen Organisationen“ seien. „Da müssen wir aufpassen“, zitiert ihn die Berliner Zeitung: „Weil das bedeuten kann, dass diese Gruppen immer mehr nur ihre Eigeninteressen durchsetzen, und nicht die Interessen einer Mehrheit.“ CLAUDIUS PRÖSSER