Kommt nur drauf an, was

BAUEN AM TEMPELHOFER FELD?

Das Bürgervotum ist kein Denkverbot

Wenn das Volk ein Machtwort spricht, hallt es dann länger? Sind „Volksgesetze“, also Gesetze, die per Volksentscheid zustande kommen, irgendwie dauerhafter als die im üblichen parlamentarischen Verfahren verabschiedeten? Formal betrachtet: nein. Aber genießen sie nicht eine höhere Legitimität, quasi gefühlt?

Im Fall des Tempelhofer Feldes wird sich diese Frage noch häufiger stellen – mehr oder weniger explizit. Das Volk hat vor nunmehr einem Jahr klar entschieden, dass auf dem ehemaligen Flughafengelände nicht gebaut werden darf. Nicht an den Rändern und schon gar nicht in der Mitte. Aber kein Votum ist für die Ewigkeit; das weiß auch der Regierende Bürgermeister. Im taz-Interview sprach Michael Müller deshalb davon, dass in ein paar Jahren – freilich „nicht in dieser und nicht in der nächsten Legislaturperiode“ – wieder neu nachgedacht werden könne.

Nach dem Gesetzgebungsverfahren ist eben vor dem Gesetzgebungsverfahren – Kritik daran kam unter anderem von den Grünen. Neu nachdenken könne man vielleicht in zehn Jahren – womit die Oppositionspartei immerhin eine weitere Legislaturperiode drauflegt.

Einen Fehler sollte man auf keinen Fall begehen: das Bürgervotum als Denkverbot begreifen und den Begriff „Bautätigkeit“ im Zusammenhang mit dem Feld für alle Zeiten tabuisieren. Niemand sagt ja, dass die große innerstädtische Prärie von mehreren Seiten mit mittel- bis hochpreisigen Wohnungen eingekreist werden muss. Das ist wirklich alles andere als eine gute Idee. Hier dagegen eine bessere, die alle schon mal sacken lassen können:

Der südwestliche Bereich des Feldes, an dem die Autobahn entlangführt, ist völlig verlärmt. Jeder, der dort spazieren geht, weiß das. Wenn man einen Gebäuderiegel auf den Rand setzte, wäre dieses Problem gelöst. Es könnte eine auf bezahlbare Maße abgespeckte ZLB sein. Oder ein Atelierhaus für einkommensschwache Kreative. Mit Proberäumen für die akustisch Schaffenden. Alles Dinge, an denen es in Berlin fehlt und die zum Charakter des Ortes passen.

Man muss über so etwas jetzt noch nicht reden. Aber man kann. Ganz entspannt.

CLAUDIUS PRÖSSER