Chronik eines Konflikts

FILM Das Zeughauskino zeigt palästinensisch-deutsche Koproduktionen der 1970er und 1980er Jahre, die aus der Zusammenarbeit von Unterorganisationen der PLO mit Filmemachern aus beiden deutschen Staaten entstanden

„Palästina – Chronik eines Volkes“ zeichnet die Geschichte Palästinas vom 19. Jahrhundert bis zur Gründung Israels 1948 nach

Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich der „Nahostkonflikt“ nicht beklagen. Das Interesse an den visuellen Quellen des Konfliktes scheint hierzulande dennoch nicht allzu ausgeprägt. Die Bilder und Filme, in denen Israelis und Palästinenser seit Bestehen des Konfliktes um die Deutungshoheit ringen, sind hierzulande weitgehend unbekannt. Dabei gehört zumindest ein Teil dieser Filme auch zur deutschen Filmgeschichte, wie die Reihe Glut der Erinnerung im Berliner Zeughauskino vor Augen führt: Sie präsentiert palästinensisch-deutsche Koproduktionen der 1970er und 1980er Jahre, die aus der Zusammenarbeit von Unterorganisationen der PLO mit Filmemachern und Produktionsfirmen in den beiden deutschen Staaten entstanden.

Schon der Eröffnungsfilm der Reihe, Kais al-Zubaidis „Palästina – Chronik eines Volkes“, macht deutlich, dass nicht nur die Darstellung des gegenwärtigen Konfliktes, sondern auch die seiner Entstehung umstritten ist. Er erzählt in Interviews und Archivmaterial eine Geschichte Palästinas vom 19. Jahrhundert bis zu den Kämpfen, die die Gründung Israels 1948 begleiteten.

Al-Zubaidi war auch am einzigen Spielfilm der Reihe beteiligt: 1982 verfilmte Kassem Hawal die Erzählung Ghassan Kanafanis „Rückkehr nach Haifa“. Zehn Jahre zuvor war Kanafani, der einer der wichtigsten palästinensischen Schriftsteller und zugleich führendes Mitglied der PFLP war, in Beirut mit einer Autobombe ermordet worden. In Kassem Hawals Film wird sehr klar sichtbar, weshalb „Rückkehr nach Haifa“ einer der zentralen Texte für die palästinensische Sicht auf das israelisch-palästinensische Verhältnis ist: Den Kern des Films (und der Erzählung) bildet das Treffen von Said und Safeyya, einem palästinensischen Ehepaar, das 1948 aus Haifa geflohen ist und auf der Flucht den Sohn zurückgelassen hat, mit der neuen Bewohnerin ihres ehemaligen Hauses. Miriam, die neue Bewohnerin, ist 1948 aus Polen nach Israel geflohen und hat nach der Ankunft in Haifa das Haus von Said und Safeyya übernommen. Der Sohn des palästinensischen Paares, Khaldun, der im Haus zurückgeblieben war, wurde von Miriam aufgezogen. Das Ende von Film und Erzählung besteht in der bitteren Begegnung Khalduns, der unterdessen Soldat in der israelischen Armee ist, mit Said. Die beiden stehen sich gegenüber und sind sich fremd geworden. Das Treffen zwischen Said, Safeyya und Miriam ist nicht frei von Einfühlung in das Leid der anderen, spätestens mit dem Eintreffen Khalduns gewinnt bei Said und Safeyya jedoch Verbitterung die Oberhand.

Die Reaktion auf die kollektive Verbitterung zeigt Mohamad Malas’ Film „al-Manam“ („Der Traum“): Wieder und wieder lässt sich Mohamad Malas die Träume von Bewohnern von palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon erzählen. Teils handelt es sich dabei um absurde Begegnungen mit politischen Führern wie Gamal Abdel Nasser, teils um ganz private Wünsche für die Zukunft. Malas konstruiert aus den Bildern vom Leben in den Flüchtlingslagern, von den Begegnungen mit den Bewohnern und den Traumberichten einen Film, der die Absurdität dieses Lebens in poetischen und doch ungeschönten Bildern einfängt.

Kurt Tetzlaffs „Die Kinder von Palästina“ beginnt mit drei kleinen Kindern in uniformartigen blauen Hemden. Dem kleinsten will das Victory-Zeichen nicht recht gelingen, eines der größeren Kinder muss mehrfach die Finger sortieren. Auch „Die Kinder von Palästina“ entstand in den Flüchtlingslagern im Libanon, und wenn man nicht gerade bei Jassir Arafat im Büro sitzt, der halb abwesend die Kinder Palästinas der Weltgemeinschaft ans Herz legt, gelingen dem Film durchaus eindrucksvolle Bilder von diesem zum Dauerzustand gewordenen Provisorium. Tetzlaffs Arbeit erinnert an eine Reihe von Filmen, die unter algerischen Flüchtlingen in Tunesien während des Algerienkrieges entstanden. Nicht zufällig: Die Propagandakampagne der FLN während des Algerienkrieges in den 1950er Jahren war Vorbild für die medialen Bemühungen späterer Befreiungsbewegungen. FABIAN TIETKE

■ Glut der Erinnerung, vom 28. 5. bis 13. 6. im Zeughauskino, Unter den Linden 2, Programm: www.dhm.de