Geld oder Gott?

POLITSTAR Die Bibelarbeit mit Familienministerin Manuela Schwesig gerät zur Predigt über Konsum

VON MARION BERGERMANN

Die Stiftskirche im Zentrum Stuttgarts ist eine Dreiviertelstunde vor Beginn fast voll. Bibelarbeit mit Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Auf dem Kirchentag sind Politiker wichtiger und beliebter Bestandteil des Programms. Zur gleichen Zeit bearbeiten Thomas de Maizière, Andrea Nahles, Wolfgang Schäuble und weitere Promis die gleiche vorgegebene Bibelstelle an anderen Orten.

Bei der Bibelarbeit wird eine bestimmte Stelle in der Bibel gelesen, interpretiert und ausführlich besprochen. In der Textpassage, über die Schwesig spricht, geht es um den Vermögensverwalter eines reichen Mannes. Ihm soll gekündigt werden, weil er das Geld seines Chefs nicht gut genug beisammenhält. Der Verwalter lässt alle Schuldner weniger, als sie müssten, begleichen und setzt für die Zeit nach seiner Kündigung auf deren Hilfe. Schlusssatz: Ihr könnt nicht Gott und dem Geld dienen.

Die Frage Geld oder Gott ist radikale Gesellschaftskritik, findet Schwesig. Sie trägt den roten Kirchentags-Schal zu einem gleichfarbigen Kleid. Kirchentagsfarbe und SPD-Farbe. Schwesig bringt die Bibelstelle mit einer Kritik an der Konsumgesellschaft und den heutigen Arbeitsmarktverhältnissen zusammen. „Wir leben in dieser Konsumgesellschaft, in der man nie genug hat.“ Sie selbst ärgere sich, wenn ihr Sohn ein lange gewünschtes Spielzeug von, „ich weiß gar nicht, ob man in der Kirche Marken verwenden darf, also jedenfalls Lego oder Playmobil“, wenn er dieses Geschenk auspacke und dann komme ihm nicht das Spielzeug entgegen, sondern ein Katalog, in dem stehe, was es noch so gibt. Gelächter.

Schwesig, die sich vor fünf Jahren taufen ließ, kommt bei den KirchentagsbesucherInnen gut an. Sie klatschen, nicken zustimmend und lächeln. Smartphones und Kameras werden ihr entgegengestreckt.

Über Konsum und Arbeitsmarktverhältnisse kommt Schwesig auf die aktuelle Flüchtlingssituation zu sprechen. Sie kritisiert, dass das Profitdenken auch in der aktuellen Flüchtlingssituation angewandt wird. Flüchtlinge würden eingeteilt in diejenigen, die nützliche Qualifikationen mitbringen, und somit am Ende Geld. Und denen, die Kosten verursachen und nach dieser Logik weniger wert seien. Kaum Applaus. Arbeitswelt und Familie sind wohl näher dran an den Leben der BesucherInnen. Schwesig ist pünktlich fertig, der Klavierspieler legt los und die Leute wollen nicht gehen. Sie hätten dem Politpromi wohl gerne länger beim Interpretieren zugehört.