Aber wir mögen die Dänen

KRIEGSEPOS Mit Didaktik und melodramatischem Wums: Arte zeigt die teuerste dänische TV-Serie („1864 – Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges“, 11. 6., 20.15 Uhr)

VON JENS MÜLLER

2014 jährte sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Dass gleichzeitig das 150. Jubiläum des ersten von drei sogenannten deutschen Einigungskriegen, des Deutsch-Dänischen Kriegs anstand – ging dabei irgendwie unter. Zumindest hierzulande. „Einigungskrieg“ ist ja auch ein Paradoxon, ein Unwort geradezu. Einen gewonnenen Krieg identitätsstiftend abzufeiern – undenkbar in Deutschland anno 2014. Besser: Schwamm drüber.

Nur waren an jenem Konflikt ja neben den sich einigenden Deutschen auch noch diese Dänen beteiligt. Und die wollten sich offenbar erinnern, trotz oder wegen ihrer Niederlage. Und weil sie in Sachen Qualitätsfernsehen international derzeit so viel siegreicher sind als die Deutschen, haben sie gleich die bislang größte dänische TV-Serie (23 Millionen Euro, 160 Schauspieler, 6000 Statisten, über 60 Prozent Marktanteil) gedreht. Haben das aus „Borgen“ und „Kommissarin Lund“ bekannte Personal zusammengetrommelt sowie bekannte deutsche Schauspieler für die Rollen der Deutschen.

Der Achtteiler nimmt erst einmal einen langen – bis 1864 drei Folgen dauernden – Anlauf. Der Deutsch-Dänische Krieg ist nämlich zugleich der Zweite Schleswig-Holsteinische Krieg, dem 1848–51 die Schleswig-Holsteinische Erhebung vorausging. Die Handlung von „1864“ setzt nun 1851 ein. Das heißt: Eigentlich setzt die Handlung mit einer (eher überflüssigen) Rahmenhandlung in der Gegenwart ein. Ein genervter Lehrer erzählt seinen desinteressierten Schülern am Ort der Entscheidungsschlacht von dem „völlig unmöglichen und hoffnungslosen Kampf mit dem mächtigen preußischen Heer“. Gleich darauf, im Jahr 1851, erzählt ein Ohrfeigen verteilender Dorflehrer seinen Schülern: „Der Deutsche ist dabei, Schleswig aufzufressen!“

Wer das etwas didaktisch findet, liegt nicht falsch. „1864“ zeigt mehr als dänisch demokratisch realistische Schlachtengemetzel. Die Produktion will ein bildgewaltiges Epos mit existentiellem Wums sein. Nicht genug, dass ein veritabler Fiesling den drei strahlend schönen Helden das Leben immer wieder schwer macht, jenseits und während der Kriegswirren, in die sie alle verstrickt werden. Die ungleichen Brüder Laust und Peter kennen und lieben Inge seit Kindertagen, aber nur Laust und Inge lieben sich auch körperlich, was sie Peter verheimlichen, was Peter natürlich erfährt, weshalb Peter keinen Bruder mehr haben will, so wie Inges Mutter keine Tochter … Inge erinnert sich aus dem Off, mit einem Duktus der Melancholie und Lebenserfahrung, der irgendwie an die Erzählstimme in „Jenseits von Afrika“ erinnert: „Die Zeit verlieh allen einen Glanz, der mit der Sonne um die Wette strahlte. Aber es zogen bereits Wolken auf …“ Es ist eine Gratwanderung zwischen skrupulöser Geschichtsstunde und dick aufgetragenem, dabei nicht humorfreiem Melodram.