Der Riss ist nicht mehr übersehbar

Henkel attackiert SPD und Grüne – mögliche Koalitionspartner

VON UWE RADA

Wenn es eine Chance gegeben hätte, das zerrüttete Verhältnis zwischen den Berliner Koalitionspartnern noch einmal zu kitten, wären es die beiden Parteitage von SPD und CDU am Samstag gewesen. Man hätte ja nicht gleich Friedenspfeife rauchen müssen nach dem Beinahe-Aus der Großen Koalition im Streit über die Homo-Ehe. Aber ein Signal, nun wenigstens die restlichen eineinviertel Jahre von Rot-Schwarz bis zur Wahl im September 2016 verantwortungsvoll zu Ende zu bringen, hätte ein Mindestmaß an Vertrauen wiederherstellen können. Wenn man es denn gewollt hätte.

Wut statt Vernunft

Hat man aber nicht. Und das geht vor allem auf die Kappe von Frank Henkel. Eigentlich hätte der CDU-Landesvorsitzende generös Verlässlichkeit demonstrieren können; den Punktsieg in Sachen Homo-Ehe hatte er bereits eingefahren. Die Überlegungen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), im Bundesrat für die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule zu stimmen, hatte Henkel mit seiner Drohung, die Koalition platzen zu lassen, abrupt beendet.

Statt sich auf dem Erfolg auszuruhen, attackierte Henkel Michael Müller am Samstag persönlich. Dass er darüber hinaus nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen seine Verachtung spüren ließ, macht deutlich: Mit Henkel sprach nicht die politische Vernunft, sondern die Wut im Bauch. Doch ohne Vernunft lässt sich nach 2016 nicht regieren. Schon gar nicht ohne Koalitionspartner.

Da hat es die SPD einfacher. Manch einem Genossen wäre es schon jetzt lieb gewesen, wenn die ungeliebte Koalition mit der Berliner CDU zu Ende gegangen wäre. Dass zur Debatte über die Homo-Ehe im Parlament am Donnerstag ausgerechnet Cornelia Seibeld, diese unverbesserliche Eva Herman der Berliner Christdemokraten, sprechen durfte, haben viele Sozialdemokraten persönlich genommen.

Dennoch haben sie den Faktor Zeit auf ihrer Seite. Wenn die CDU-Mitglieder sich im Juli bei ihrem Basisentscheid für die Homo-Ehe aussprechen, steht Frank Henkel in der Buh-Ecke – und ist beschädigt. Stimmen sie dagegen wider Erwarten mit Nein, steht die CDU als Partei der alten Säcke da – und das in der liberalsten deutschen Stadt.

So beinhaltete der Samstag zwei Botschaften. Rot-Schwarz regiert vorerst weiter in Berlin. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Stadt demnächst von Rot-Grün, Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün regiert wird, ist ein Stück größer geworden. Ob erst nach dem September 2016 oder schon vorher, werden die nächsten Wochen zeigen.