Mit Brief und Siegel

GÜTEZEICHEN Glückstadt an der Elbe ist bekannt für seine milden, zarten Heringe. Pate des Erfolgs war ein ortsansässiger Fischhändler

Der Glückstädter Matjes ist zu Recht berühmt: Schön fett und nicht zu salzig zergeht sein Filet fast auf der Zunge. Seit Ende Mai ist er bei der Europäischen Union mit dem Zusatz „geschützte geografische Angabe“ registriert. Grundlage für den Erfolg sind jahrzehntelanges Marketing und die Entscheidung, sich als einziger Ort in Deutschland ganz auf die traditionelle Herstellungsmethode zu besinnen.

Mit dem Marketing hat Glückstadt bereits begonnen, als von dem Elbehafen aus noch Heringslogger in See stachen. Am 13. Mai 1968 hoben der vormalige Bürgermeister Manfred Bruhn und der Fischhändler Helmut Sievers die „Glückstädter Matjeswochen“ aus der Taufe, die noch immer am zweiten Donnerstag im Juni begangen werden.

Ein paar Jahre später, 1976, war es aus mit der Heringsfischerei in Glückstadt. Dafür, dass es mit dem Matjes weiterging, sorgte der 2011 verstorbene Sievers. War der Fisch bis dato gleich auf den Heringsloggern ausgenommen worden, verlegte Sievers diesen Vorgang an Land. Er kaufte Hering in Dänemark und verarbeitete ihn wie die Holländer: Er schnitt den Kopf ab, zog die Eingeweide heraus und legte den Fisch in ein Salzfass.

Die Reifung besorgte die Bauchspeicheldrüse, die bei der Prozedur stecken blieb. Weitere Zutaten waren unnötig und wie die Niederländer verzichtete Sievers auf ein Übermaß an Salz. So ist der Fisch zwar nicht so lange haltbar, aber umso schmackhafter. Sein Wissen gab Sievers Mitte der 1990er-Jahre an die Glückstädter Gastronomen und Geschäftsleute Heiko Raumann und Henning Plotz sowie an den Koch Sören Bublat weiter, wie die Norddeutsche Rundschau in Sievers’ Nachruf schrieb.

„Wir sind die einzigen in Deutschland, die traditionellen Matjes herstellen“, sagt Plotz. Um sich Glückstädter Matjes nennen zu dürfen, muss ein Hering beim Fang an die fünf Jahre alt sein, einen bestimmten Fettgehalt haben und im Frühjahr gefangen werden. „Wann die Fangzeit beginnt, bestimmt die Natur“, sagt Plotz. Es lohne sich, auf deren Takt einzugehen. „Die ersten Heringe sind nie die besten“, sagt er. Erst wenn sie sich einen Fettgehalt von 20 Prozent angefressen hätten, seien sie wirklich gut.

An Land müssen die Heringe von Hand filetiert werden, sodass die Gräten vollständig herausgezogen werden. Und natürlich dürfen sie nur in Glückstadt verarbeitet werden. „Wir arbeiten komplett ohne künstliche Zutaten wie früher an Bord der Heringslogger auch“, sagt Plotz.

Das unterscheidet den klassischen Matjes vom „Matjes nordische Art“, wie er meist in den Geschäften zu finden ist. „Nordische Art“ meint Filets, die mit Salz, Zucker, Säuerungsmitteln und zugesetzten Enzymen eingelegt werden. Sie sind günstiger, dafür aber auch salziger und weniger zart. Für ein solches Produkt dürfte kein Hering seines Lebens beraubt werden, polemisiert Plotz auf seiner Homepage – unterzeichnet mit „rebellischen Matjesgrüßen“.  GERNOT KNÖDLER