DIE LOBBYISTIN DER WOCHE

Die Trauma-Therapeutin

Diese Frau muss den taz Panter Preis bekommen. Mindestens. Oder den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, ach was, den Friedensnobelpreis. Christine Finke (Foto), Autorin aus Konstanz, fordert in einer Petition die Abschaffung der Bundesjugendspiele. Ihr Sohn war weinend nach Hause gekommen, weil er nur eine Teilnehmerurkunde erhalten hatte – ein Trostpreis für schlechte Leistungen. Seitdem geht es im Netz rund: Die einen erinnern sich an die Traumata ihrer Jugend. Daran, wie es war, mitten in der Pubertät mit ungeschicktem Körper öffentlich hinterlaufen, springen, werfen zu müssen. Eine Bloggerin schreibt von „Bundesjugenddemütigung“.

Andere verteidigen die Bundesjugendspiele mit Argumenten, die auch Leni Riefenstahl gefallen hätten: „Wettkämpfe sind doch etwas Natürliches: Man kann sie bei Ferkeln beim Kampf um die Nahrungsquellen, die Zitzen ihrer Mutter, beobachten. Später kämpfen sie miteinander, um sich körperlich zu ertüchtigen und um Rangordnung. Sie üben für das Leben. Und die Menschenkinder? Sie sind nicht anders“, schreibt ein Welt-Leser. Die Idee zu den Bundesjugendspielen, 1920 erstmals als „Reichsjugendwettkämpfe“ veranstaltet, hatte übrigens Carl Diem, führender Sportfunktionär der Weimarer Republik und der Nazizeit. Nach dem Versailler Frieden 1919 propagierte er Sport als Wehrersatz. 1940 schwärmte er von „dem sportlichen Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist“, der erst den „Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich“ möglich gemacht habe.

Christine Finke aber hat zu den Bundesjugendspielen alles gesagt, was man dazu sagen muss: „Da sitzen die Kinder, weinen und schämen sich – das muss nicht sein.“ MARTIN REEH