Ariane Friedrich und die Medien: „Ich soll ein Glamourgirl sein?“

Hochspringerin Ariane Friedrich startet am Donnerstag im Vorkampf. Man traut ihr nicht viel zu. Aber das mache sie besonders stark, sagt sie.

„Wenn ich mich aus meinem Tief herausarbeite, dann bin ich stärker als vorher.“ Bild: dapd

taz: Frau Friedrich, Sie müssen die Qualifikation im Hochsprung überstehen. Keine leichte Aufgabe nach Ihrer Achillessehnenverletzung.

Ariane Friedrich: Ich habe nichts mehr zu verlieren. Erstaunlicherweise rechnet jeder damit, dass ich nicht ins Finale komme. Aber ich werde zeigen, dass ich es kann. Ich habe komplett alles auf Olympia ausgerichtet. Entweder es klappt oder es klappt nicht.

Hatten Sie ernsthaft erwogen, in London nicht anzutreten?

Das war eine reine Spekulation in der Medienlandschaft. Da kursierten Zitate, die stammten gar nicht von mir. Das ist unfair. Ein Sportler kämpft bis zum Schluss. Eine Absage wäre eine Niederlage vor dem eigentlichen Wettkampf.

Wie erklären Sie sich die Meldung in den Medien?

Ich habe mich zuletzt bewusst von den Medien ferngehalten. Deswegen hat man wohl etwas erfinden müssen.

Aha.

Ich bin bisher immer fair mit den Medien umgegangen, möchte aber nicht, dass über jeden Pups von mir geschrieben wird. Das Schlimme daran ist ja auch, dass ein völlig falsches Bild von mir in der Öffentlichkeit entsteht. Vor London habe ich zum ersten Mal wieder Interviews gegeben. Solche Sachen machen mir keinen Spaß. Ich werde mich damit nie anfreunden können.

Im April 2012 veröffentlichte Friedrich auf ihrer Facebookseite Namen und Wohnort eines Mannes, der ihr eine anzügliche E-Mail mit entsprechendem Foto geschickt hatte. Die Publikation Friedrichs löste ein heftiges Medienecho aus. Im Juli 2012 gestand der von Friedrich angeprangerte Mann schließlich die sexuelle Belästigung ein. Der Beschuldigte musste wegen Beleidigung und der Verbreitung pornografischer Schriften eine Geldstrafe von 1.050 Euro zahlen.

Welches mediale Bild stört Sie denn konkret?

Der Vorwurf des Glamourgirls. Nur weil ich pinke Haare habe, soll ich ein Glamourgirl sein? Jeder Sportler achtet doch auf sein Äußeres. Wer geht denn noch ungepflegt in die Öffentlichkeit? Glamourgirl ist Unsinn. Ich gehe zu Hause im Schlabberlook und buddele mit Dreckfingern im Garten rum. Macht das ein Glamourgirl? Nee. Das ist so schnell dahingesagt und reduziert Menschen auf Äußerliches. Ich kann ja mal ungepflegt in einen Wettkampf gehen, um das Gegenteil zu beweisen.

Warum beschäftigt Sie das so sehr?

Ich versuche es hinzubekommen, dass es mir egal wird. Aber das ist unheimlich schwer. Nach der Facebook-Geschichte war ich wirklich geschockt, wie böse und gemein manche Menschen sind. Da ging eine Lawine auf mich nieder. Mit diesen Hasstiraden bin ich nicht klargekommen. Viele haben mir die Pest an den Hals gewünscht. Ich kann Menschen verstehen, die in einer ähnlichen Situation nicht mehr weiterwissen. Ich musste an Robert Enke denken. Ich konnte nachvollziehen, warum er es nicht mehr hinbekommen hat.

Haben Sie eine Erklärung, warum man sich auf Sie eingeschossen hatte?

Ich war noch nie Everybody’s Darling. Jeder Mensch, der erfolgreich ist, polarisiert. Und wie gesagt: Auch mein Aussehen polarisiert. Ich bin ja relativ dünn im Wettkampf. Da wird mir zum Teil Magersucht unterstellt. Auch das ist Quatsch. Ich bin so, wie ich bin, und fühle mich gut so. Ich habe sehr oft das Gefühl, dass ich mich für etwas rechtfertigen muss. Aber was soll’s. Ich hoffe, dass das jetzt vorbei ist.

Sie sind jetzt nicht mehr im Netz aktiv, richtig?

Ja, ich bin nicht mehr auf Social-Media-Kanälen unterwegs. Aber trotzdem muss man immer auf der Hut sein. Es wurde zum Beispiel ein Twitter-Account auf meinen Namen aufgemacht und von dort aus sogar mit den Sportverbänden kommuniziert, bis die gefragt haben: „Ariane, bist du das wirklich?“ Unglaublich! Mit solchen Aktionen wird sehr viel Porzellan zerschlagen.

Können Sie das nun ausblenden?

Ich muss. Ich arbeite seit einiger Zeit wieder mit einem Mentaltrainer zusammen. Das ist wichtig, denn ich musste einiges aufarbeiten. Ich kann nur jedem ans Herz legen, nicht immer nur auf dem anderen herumzuhacken.

In London geht es knallhart um Leistung. Können Sie die bringen?

Ich bin in guter Form. So wie auch 2008 oder 2009. Ich bin ziemlich sicher, dass es klappt. Ich will ins Finale. Dafür muss ich eventuell eine persönliche Jahresbestleistung von 1,95 Meter springen. Um zehn Uhr morgens.

Platzt in London der Knoten? Diese Höhe haben Sie in Ihren diesjährigen Wettkämpfen nicht geschafft.

Die blende ich jetzt mal aus. Außerdem konnten mein Trainer Günter Eisinger und ich nach den Wettkämpfen genau analysieren, woran es lag, dass ich nicht höher gesprungen bin. Die Kraftwerte und die physischen Leistungsstandards passen. Ich reiße jetzt zum Beispiel 50 Kilogramm – für mich fantastisch. Ich freue mich auf den Wettkampf in London.

Testen Sie im Training aus, wie hoch Sie maximal springen können?

Nein, ich konnte noch nie gut im Training springen. Die Sicherheit bekommt man auch nicht dadurch, dass man im Training Wahnsinnshöhen springt. Das kann ich auch gar nicht, weil ich für meine Sprünge sehr, sehr viel Kraft benötige. Diese Kraft kann ich im Training nicht aufbringen. Ich brauche das Drumherum, die Anspannung, die Vorbereitung auf den Wettkampf. Und ich brauche die Zuschauer. Ich bin ein klassischer Wettkampftyp.

Sie wurden ja auf den letzten Drücker für London nominiert. Auch das gab Ärger.

Ich finde es traurig, wenn ich mir sagen lassen muss, dass ich da nicht hingehöre. Ich habe zweimal die B-Norm des Weltverbandes von 1,92 Meter geschafft. Ich habe mein Olympiaticket nicht zugelost bekommen. Egal. Ich ziehe jetzt mein Ding durch. Ich will vor allem das Positive sehen. Wenn ich mich aus meinem Tief herausarbeite, dann bin ich stärker als vorher.

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