Armut und Bürgergeld: Schmutziger Klassenkampf von oben

14 Millionen Menschen leben in Deutschland in Armut. Gleichzeitig blockieren die Reichen das Reförmchen namens Bürgergeld.

Eine rote Handtasche

Tasche schön und gut, aber was ist drin? Foto: CSP/imago

Als ich eine Einladung zur Geburtstagsparty einer Freundin bekomme, muss ich absagen. Ich habe kein Geld für ein Geschenk und auch keins, mich irgendwo zu beteiligen. Im engen Freun­d*in­nen­kreis schenken wir uns entweder nichts, oder nichts, was man extra kaufen muss. Aber außerhalb des engen Kreises sieht das schon anders aus.

Da ich mit einer erneuten Einladung besagter, mir nicht ganz so nah stehender Freundin rechne, versuche ich, etwas Geld beiseitezulegen. Wo kaum Kohle ist, kann man nicht sparen, aber ich kann mal auf Essen verzichten. Von dem Geld kaufe ich ihr ein kleines, süßes Täschlein. Freudig packt sie ihr Geschenk aus. Tasche schön und gut, aber was ist drin? Sie schaut in die Tasche. Die ist leer.

In sozialen Situationen bin ich oft entspannt und rufe ihr entgegen: „Die Füllung kommt dann nächstes Jahr!“Ich lebe zwar noch immer nicht in dem Luxus, den ich verdient hätte – taz-Leser*innen haben das auch verdient –, und noch immer prekär, aber ich muss zurzeit nicht mehr auf jeden Cent achten, den ich ausgebe. Volle Transparenz: Ich habe nie Gelder beantragt, weil ich jede Begegnung mit deutschen Behörden zu vermeiden versuche. Andere meiner Friends können sich das nicht leisten.

Auf Twitter hat sich unlängst der Hashtag #ichbinarmutsbetroffen etabliert, aus der sich eine im Real Life protestierende Bewegung geformt hat. Unter dem Hashtag berichten viele davon, was es heißt, arm zu sein. Sie erzählen, wie sie Pfandflaschen aus Mülleimern fischen, dass sie wegen zu hoher Preise Angst vor dem nächsten Einkauf haben, von Krankheit und Schicksalsschlägen. Sie sind nur einige von etwa 14 Millionen Menschen, die in Deutschland in Armut leben.

Aufrechterhaltung des Niedriglohnsektors

Dennoch trauen sich CDU/CSU Hand in Hand mit der Bild-Zeitung im Zuge der Verhandlungen zum Bürgergeld ihrer Verachtung für arme Menschen freien Lauf zu lassen. Ihre beleidigende Hetze gegen Arme begründen sie mit ihrer scheinheiligen Sorge, Arbeit würde sich nicht mehr lohnen. Scheinheilig, weil sie ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Niedriglohnsektors haben, denn natürlich sind niedrige Löhne und unsichere Arbeitsverhältnisse das Problem. Aber von schlecht bezahlter Arbeit profitieren reiche Menschen wie Merz, Söder und Co und Unternehmen.

Diesem schmutzigen Klassenkampf von oben hat keine Partei etwas Relevantes entgegenzusetzen. Das Bürgergeld bleibt ein Reförmchen, das an der grundlegenden Situation, dass es in Deutschland Armut gibt, nichts ändert. Auf die bürgerlichen Parteien ist in Sachen Armutsbekämpfung kein Verlass. Es gibt keinen Grund, sich von Reichen in Politik und Debatte treiben zu lassen, wir werden in diesem Leben keine Millionäre. Aber wir können dazu beitragen, dass sich die Verhältnisse zugunsten der armen Teile der Bevölkerung verbessern. Damit niemand mehr Geburtstage absagen oder Pfandflaschen im Müll sammeln muss.

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