Armutsbericht der Bundesregierung: Schwarz-Gelb schafft Armut ab

Die FDP hat wohl zahlreiche Korrekturen im Armutsbericht der Bundesregierung durchgesetzt. Die Opposition spricht von Schönfärberei, Rösler von „Wahlkampfgetöse“.

Alles ist gut, meint die FDP, nur die herumlungernden Millionäre auf der Straße stören. Bild: dpa

BERLIN rtr/afp/dpa | Im Streit um den Armutsbericht der Bundesregierung hat die FDP den Vorwurf der Schönfärberei zurückgewiesen. Parteichef Philipp Rösler bezeichnete die Kritik am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk als „absolutes Wahlkampfgetöse“. Deutschland gehe es so gut wie nie, „wir sind Wachstumsmotor für ganz Europa und die Welt schaut auf uns“, sagte er. „Ich finde, das muss man auch herausstellen, dass es uns eben gut geht.“

„Der fertige Bericht zeigt auf Grundlage der Fakten, wie gut die Lage in Deutschland wirklich ist“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring der Zeitung Die Welt laut Vorabbericht.

Von den derzeit niedrigen Arbeitslosenzahlen habe die frühere rot-grüne Koalition nur träumen können. Deshalb sei es auch kein Wunder, dass SPD und Grüne nun aus lauter Missgunst kräftig auf die Pauke hauten. „Das parteitaktische Schauspiel ist bloß leicht durchschaubar“, fügte Döring hinzu.

Auch Vize-Fraktionschef Heinrich Kolb verteidigte den Armutsbericht. Für seine Partei und den überwiegenden Teil der Bevölkerung sei nicht entscheidend, wie der Wohlstand verteilt sei, sondern welche Chancen es gebe, einen Aufstieg zu realisieren, sagte er dem RBB-Inforadio. „Das ist ja das Neue und Besondere an diesem Armuts- und Reichtumsbericht, dass wir einen ganz neuen Schwerpunkt legen, nämlich auf die soziale Mobilität, die Veränderung der Lebenslage innerhalb des eigenen Lebensverlaufs.“

Kritik von Grünen und vom DGB

Grünen-Chef Cem Özdemir hat sich dafür ausgesprochen, den Armuts- und Reichtumsbericht künftig von unabhängigen Experten erstellen zu lassen. „Wissenschaftler sollen – so wie beim Sachverständigenrat – ein Gutachten vorlegen über Armuts- und Reichtumsverteilung in dieser Gesellschaft. Dann haben wir diesen unwürdigen Streit nicht", sagte er am Mittwoch im „Morgenmagazin“ des ZDF.

Der Grünen-Chef kritisierte erneut die Änderungen der Bundesregierung an der Vorlage. „Frisieren von Berichten, damit sie vor der Wahl geschmeidiger sind, das macht man einfach nicht“, sagte er. „Falsche Analysen haben falsche Schlussfolgerungen zur Konsequenz.“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) äußerte heftige Kritik: „Der Armutsbericht ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Obwohl die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen sei, gebe es mehr Armut in Deutschland, kritisierte sie. Darin zeige sich, „dass die neoliberale Politik nach der Devise 'Sozial ist, was Arbeit schafft' gescheitert ist“. Auch könnten „die Tricks und Vertuschungsversuche“ der Regierung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehe.

Buntenbach forderte erneut einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro sowie neue Regeln für Leiharbeit und Minijobs. Überfällig sei zudem die gerechte Besteuerung hoher Vermögen und Erbschaften.

Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten

Nach monatelangem Streit will die Bundesregierung am Mittwoch ihren Armuts- und Reichtumsbericht verabschieden. Vorangegangen waren grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über bestimmte Textpassagen. Die CDU-Politikerin hatte in einem ersten Entwurf im September das Bild einer sozial gespaltenen Gesellschaft gezeichnet und indirekt Vermögensteuern ins Spiel gebracht. Dies hatte zu starker Kritik von Seiten der FDP geführt.

In der nun vorliegenden Endfassung wurden offenbar einige Passagen entschärft oder ganz gestrichen. So sei die Aussage „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“ in der Endfassung der Analyse nicht mehr enthalten, berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf das finale Papier. Nicht mehr zu finden sei zum Beispiel auch die Aussage, dass 2010 mehr als vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro arbeiteten.

Nach der Abstimmung mit anderen Ministerien sind demnach auch folgende Sätze entfallen: „Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken.“ Dies verletze das „Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“.

Stattdessen werde in dem Bericht nun angeführt: Sinkende Reallöhne in den unteren Einkommensgruppen seien „Ausdruck struktureller Verbesserungen“, weil „zwischen 2007 und 2011 viele Arbeitslose oder in geringer Stundenzahl Beschäftigte eine Vollzeitbeschäftigung im unteren Lohnbereich neu aufgenommen haben“. In der ersten Fassung des Berichts habe es außerdem geheißen: „Die Einkommensspreizung hat zugenommen.“ Nun stehe in der Endfassung das genaue Gegenteil: „Die Ungleichheit der Einkommen nimmt derzeit ab.“

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