Arte-Serie „Ana und Oscar“: Millennial Love-Story aus Spanien
Die spanische Serie „Ana und Oscar“ erzählt von einer komplizierten Liebesbeziehung: Schlaglichtartig über mehrere Jahre. Ungemein realistisch und nah.
Ana (Iria del Rio) und Oscar (Francesco Carril) können es kaum glauben, als sie sich auf einer Silvesterfeier 2015 in Madrid begegnen. Er ist gerade 30 Jahre alt geworden und war in Spanien eins der letzten Kinder, das 1985 zur Welt kam. Sie hat an Neujahr Geburtstag und war eine der ersten Geburten im Jahr 1986. Ana und Oscar haben gerade eine Trennung hinter sich, flirten ausgiebig und landen am Neujahrstag miteinander im Bett. Aus dem vermeintlichen One-Night-Stand entwickelt sich eine langjährige und komplizierte Liebesbeziehung.
Die spanische Serie „Ana und Oscar“, eine Koproduktion von Arte und Moviestar, erzählt in zehn Episoden über den Zeitraum von einer Dekade spotlightartig ausschließlich an Silvesterabenden und Neujahrstagen von der Liebe der beiden Großstadt-Millennials. Sie hat Journalismus studiert, will aber eigentlich etwas ganz anderes machen und nach Kanada auswandern. Er ist Internist, schiebt Schichten im Krankenhaus und verbringt viel Zeit mit den engen Freunden aus seiner Clique.
„Ana und Oscar“, (Spanien, 2024), 10 Folgen auf Arte
Die dialoglastige Serie erinnert in ihrer kammerspielartigen Erzählweise mitunter eher ans Theater und ist ästhetisch wie dramaturgisch das radikale Gegenteil der zeitgemäß dominierenden actiongeladenen Serien- und Filmunterhaltung mit simplen Spannungsbögen. Die unglaublich realistische, an der banalen Wirklichkeit entlang erzählte Millennial-Geschichte mutet fast ein wenig an wie die Romane von Sally Rooney. Nur, dass einem hier nicht ständig Klassenstandpunkte um die Ohren gehauen werden.
Eine Episode besteht etwa aus einem Abendessen der beiden mit ihren Eltern, bei dem über generationelle Unterschiede und Konflikte gesprochen wird, über den neuesten Familienklatsch, es geht um Vorstellungen und Konzepte, wie Beziehungen sein können oder nicht sein dürfen. Diese dialogreiche Erzählstruktur hat absolut ihre Längen, entwickelt aber über die Dauer der ganzen Serie einen unglaublichen erzählerischen Sog.
Sie kämpfen heftig um ihre Beziehung
Was aus den jeweiligen Plänen der beiden Millennials, etwa in einem Jahr für einige Monate nach Edinburgh zu ziehen oder den Job zu wechseln, wirklich wird, erfahren die Zuschauer eher nebenbei aus Gesprächen. Etwa wenn am Silvesterabend, wie in Spanien üblich, opulent und lang andauernd gespeist wird oder wenn bei munteren Silvesterpartys zu jedem Glockenschlag um Mitternacht eine Traube hinuntergewürgt wird, wie in Spanien üblich.
Während eines Silvesterkurztrips nach Berlin ziehen die beiden hippen Spanier durch Secondhandläden und Technoclubs, um sich am Ende auf der Taxifahrt zum Flughafen so krass und ausdauernd zu streiten, wie man das sonst im Film eigentlich kaum zu sehen kriegt. Das wirkt so ungemein realistisch, dass man sich fragt, ob das wirklich als Dialog geschrieben wurde oder die beiden einfach nur genial improvisieren.
Ana zieht schließlich irgendwann nach Lyon, verliebt sich in einen anderen Mann, mit dem sie außerdem ein Kind bekommt, und eröffnet einen Delikatessenlieferservice. Anas harte, immer wieder erniedrigende Arbeitsrealität und der Umzug ins Nachbarland wird ebenso pointiert in Szene gesetzt wie Oscars Krankenhausarbeit während der Coronapandemie und seine schleichende Vereinsamung.
Beide wollen etwas arbeiten, was sie interessiert und Spaß macht, aber keiner will sich im Job verwirklichen. Viel wichtiger sind Familienkonflikte mit den Eltern und Geschwistern, die Drogensucht eines engen Freundes von Oscar oder die eigenen Beziehungsprobleme, um die immer wieder gerungen wird. Ana und Oscar kämpfen heftig um ihre Beziehung, selbst als sie schon vorbei zu sein scheint und sie sich einander immer mehr entfremden. Aber dennoch finden sie immer wieder zueinander. Am Ende läuft es auf eine Trennung hinaus, die auf besondere Weise zelebriert wird. Aber nicht ohne ganz zum Schluss noch ein Hintertürchen offenzulassen.
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