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Krimi-Serie „Reykjavik 112“ auf ArteMorde mit Aussicht

„Reykjavik 112“ verbindet nordische Krimi-Brutalität mit beißender Systemkritik. Polizei, Patriarchat und Provinz werden gleichermaßen seziert.

Sowohl spannend, als auch gesellschaftskritisch: Die Serie basiert auf den Romanen von Schriftstellerin Yrsa Sigurðardóttir Foto: wdr/arte

Wenn in skandinavischen Krimis gemordet wird, geht es für gewöhnlich sehr grausam zu. So zumindest ist das in den Romanen von Stieg Larsson und Henning Mankell, um nur zwei berühmte Beispiele aus Schweden zu nennen, die auch hierzulande viel gelesen werden.

Ähnlich brutal geht es bei der isländischen Krimiautorin Yrsa Sigurðardóttir zu, die seit etwa 20 Jahren fast jedes Jahr ein neues Buch vorlegt. Ihr Roman „DNA“ (2016) wurde jetzt als spannungsgeladene Serie mit dem Titel „Reykjavík 112“ verfilmt.

In dem auf Arte laufenden Sechsteiler geht es um eine Mordserie in der isländischen Hauptstadt, bei der Menschen grausam verstümmelt werden. Ein kleines Mädchen muss den schrecklichen Mord an ihrer Mutter unter dem Bett versteckt miterleben. Sie bietet fortan den einzigen Anhaltspunkt für die Ermittlungen der völlig überforderten Polizei.

Mit dieser Geschichte um den jungen Kommissar Huldar (Kolbeinn Arnbjörnsson), der fortwährend auf Nikotinkaugummis herumbeißt, und der selbstbewussten Kinderpsychologin Freyja (Vivian Ólafsdóttir) startete Yrsa Sigurðardóttir vor zehn Jahren ihre mittlerweile sechs Romane umfassende Reihe über diese beiden Protagonisten. Sie versuchen das Geheimnis des Falles, bei dem erst einmal jedes Motiv fehlt und dem bald weitere Morde folgen, aufzuklären. Dabei muss Huldar vor allem gegen Widerstände in den eigenen Reihen kämpfen.

Als junger Vorgesetzter leitet er die Ermittlungen, da gegen einige dienstältere Kolleginnen, die dann auch prompt gegen ihn intrigieren, gerade intern ermittelt wird. In der Polizei gibt es überdies ein Informationsleck, so dass alle eh schon dürftigen Ermittlungsergebnisse kurze Zeit später online in der Boulevardpresse zu lesen sind, was in einem Fall das Leben einer möglichen Zeugin gefährdet. Bald gibt es auch Rassismusvorwürfe gegen die Polizei, die rücksichtslos und ohne Plan ermittelt.

Spannend und verblüffend

Die isländischen Sicherheitsbehörden kommen in dieser Serie nicht gerade gut weg. Die Nachbarn im netten Vorort mit Einfamilienhaus sind auch mal Motorrad fahrende Nazis und viele Männer, die in dieser Serie vorkommen, verhalten sich gewalttätig gegenüber Frauen.

Damit hat „Reykjavík 112“ den kritischen und gesellschaftspolitischen Fokus, wie er prägend ist für zahlreiche skandinavische Krimis, etwa in den Wallander-Geschichten und in den Büchern von Stieg Larsson, oder in dem Fall eben auch im isländischen Krimi. Auch deshalb erfreuen sich diese mitunter finsteren Geschichten hierzulande so großer Beliebtheit. „Reykjavík 112“ ist nicht nur als Krimi sehr spannend, sondern auch stimmungsvoll inszeniert ist und erlebt am Ende eine absolut verblüffende Auflösung.

Die Serie verbindet sehr geschickt verschiedene Handlungsstränge. Es geht um das Darknet, um Drogenhandel, journalistische Karrierepläne, Rassismus gegen polnische Migranten, Eifersuchtsdramen, gescheiterte Ehen. Auf Autofahrten sind immer wieder großartige Bilder der isländischen Vulkanlandschaft zu sehen.

Die Serie

„Reykjavík 112“, (Island, 2025) Arte Mediathek

Die Serie zeigt gekonnt innere Konflikte der einzelnen Figuren. Kommissar Huldar etwa ist ein gutaussehender Frauenheld, der damit aber immer wieder baden geht und wie ein verantwortungs- und hilfloser Möchtegern-Macho daherkommt. Als leitender Beamter versagt er immer wieder und bekommt ständig Stress mit seiner taffen Vorgesetzten.

Psychologin Freyja hadert mit ihrem im Knast sitzenden Bruder und einem widerlichen Ex-Mann, der sie ständig belästigt. Und das Liebesleben von Huldars Polizei-Kolleginnen wird ebenfalls Gegenstand der Erzählung. Die Mordserie ist mitunter so brutal in Szene gesetzt, dass einem bei den Bildern fast schlecht werden könnte.

Wobei hier nicht effekthascherisch auf möglichst grausame Brutalität gesetzt wird, sondern diese Ästhetik für nordische Krimis einfach stilprägend ist. Im Vergleich zum deutschen Krimi, der vor allem in öffentlich-rechtlichen Sendern, aber nicht nur dort, täglich zur besten Sendezeit geboten wird, ist diese Serie nicht nur brutaler und politischer, sondern auch in der Dramaturgie komplexer.

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