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Artenschutzkonferenz in UsbekistanLebewesen als verfügbare Ressource

Heike Holdinghausen

Kommentar von

Heike Holdinghausen

Die Artenschutzkonferenz Cites zeigt erneut: Menschen können zählen, bewerten, managen – und mit diesen Methoden auch schützen. Das funktioniert. Irre ist es trotzdem.

Ein Mensch und ein Walhai schwimmen gemeinsam im Ozean Foto: Flora Tomlinson-Pilley/ap

W as ist das nun? Irrsinn? Hybris? Verblendung? Wer sich in den vergangenen zwei Wochen die Verhandlungen auf der Konferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens im Livestream anschaute, konnte in einen Zustand der Fassungslosigkeit geraten.

Da sitzen die Ver­tre­te­r:in­nen von 185 Staaten in einem Konferenzsaal im usbekischen Samarkand und verhandeln in tiefster Ernsthaftigkeit darüber, ob und nach welchen Gesichtspunkten sie künftig legal Pflanzen und Tiere fällen, ausreißen, fangen, töten und verkaufen. Oder ob sich die Menschen schon so viele genommen haben, dass kaum noch welche übrig sind. Dann verbieten sie den Handel oder schränken ihn ein. Ein Essay über das Thema „Der Mensch und sein Blick auf die Welt als Ressource“ ließe sich wunderbar mit dieser Szene beginnen.

Dabei ist die Konvention zum Schutz gefährdeter Arten (Cites) mit das beste Umweltabkommen, das wir haben. Es stellt rund 37.000 Tier- und Pflanzenarten unter Schutz, und zwar, im Vergleich zu anderen UN-Konventionen, recht wirksam. Naturschutzorganisationen sind sich sicher, dass es ohne Cites viele Arten von Walen, Fischen, Giraffen, Bäumen inzwischen schon nicht mehr geben würde. Hätte die Staatengemeinschaft 1973 nicht beschlossen, den Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen unter dem Dach der UN zu regulieren, wären heute noch mehr von ihnen ausgerottet.

1975 trat das Abkommen in Kraft und feiert dieses Jahr also seinen 50. Geburtstag. Grund zum Feiern gibt es. Die Cites-Vertragsstaatenkonferenzen sind nicht, wie im Fall der Klimarahmenkonvention, zu Alibi-Veranstaltungen verkommen, auf denen die globale Umweltszene sich ihrer Bedeutsamkeit versichert und dann ohne Ergebnisse wieder nach Hause fährt. Auf der Konferenz in Usbekistan wurden Beschlüsse gefasst, die das Leben von Millionen von Lebewesen bedeutend sichern und verbessern.

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Mit einigen Arten von Haien und Rochen, denen bislang übel mitgespielt wurde, darf nicht mehr gehandelt werden. Mit südeuropäischen Wasserfröschen, die auf ihrem Weg zum Froschschenkel lebend zerteilt werden, nur noch eingeschränkt. Die wenigen überlebenden, freien Nashörner bleiben streng geschützt. Mitgliedsstaaten, die sich an diese Beschlüsse nicht halten, werden sanktioniert. So weit, so gut.

Doch bislang hat es keine Religion, keine Staatsform, kein Wirtschaftssystem der Welt geschafft, Tiere und Pflanzen wirksam als das zu beschreiben, was sie der Menschheit sein sollten: Zeitgenossen, denen es mit Respekt und Demut vor ihrer Vielfalt zu begegnen gilt. Geschweige denn, gemeinsam genutzte Allmenden zu bewahren, wie ein berechenbares Klima, saubere Ozeane, stabile Wälder, gesunde Steppen.

Es ist müßig darauf hinzuweisen, dass auch die Menschheit auf diese Allmenden als Lebensraum angewiesen ist. Nach zwei Wochen Cites bleibt die Erkenntnis: Menschen können zählen, bewerten, managen – und mit diesen Methoden auch schützen. Das funktioniert. Irre ist es trotzdem.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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