Artenspürschutzhund beim Zoll: Er will nur spielen!

Seltene Schildkröten, getrocknete Seepferdchen oder Handtaschen aus Schlangenleder: Aus fernen Ländern werden immer wieder exotische Souvenirs eingeführt. Um illegale Mitbringsel ausfindig zu machen, setzt der Zoll am Hamburger Flughafen auf den Artenschutzspürhund Berry.

Er ist einer von fünf Artenschutzspürhunden an deutschen Flughäfen: Berry. Bild: dpa

Für Berry ist das alles nur ein Spiel. Schwanzwedelnd begrüßt er seine Gäste, reibt den Kopf am Bein von Hundeführerin Sina Tillschneider und stößt dann eine halb gejaulte, halb gebellte Spielaufforderung aus. Für den achtjährigen Labrador-Retriever ist das Gepäckzentrum des Hamburger Flughafens ein großer Spielplatz, voller Spannung und toller Gerüche.

An diesem Morgen ist es zu Demonstrationszwecken nur die Fundsachenkammer. Dem Rüden ist das völlig egal, er lässt weder die Kofferreihe noch sein Frauchen aus den Augen. Zwischen die Gepäckstücke stellt Silvia Tillschneider den sichtlich mitgenommenen Spielkoffer, randvoll mit Fundstücken aus der Asservatenkammer – von getrockneten Seepferdchen bis zur Krokodillederhandtasche.

Mit einem lauten „Such“ gibt sie das Spiel frei, und Berry beschnuppert alle Gepäckstücke, stoppt vor seinem Spielkoffer und beginnt daran zu kratzen. Die Zollbeamtin kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, geht in die Knie und holt die Belohnung hervor, einen Ball mit Kordel. Berry tobt damit durch den Raum, für ihn ist das Spiel Lohn genug. Über so viel Freude könnte man fast seine verantwortungsvolle Aufgabe vergessen. Er ist einer von fünf Artenschutzspürhunden an deutschen Flughäfen, die sich regelmäßig auf die Suche nach illegal eingeführten Tieren, verbotenen Lebensmitteln, Schmuck aus Elfenbein oder Taschen aus Krokodilleder machen.

Bei zwei bis drei Maschinen pro Tag ist Berry im Einsatz, für die jeweils 250 bis 300 Gepäckstücke braucht er gerade einmal 20 Minuten, den eigenen Spielkoffer inklusive. Der muss immer dabei sein, wie die 32-jährige Hundeführerin erklärt: „Wenn Berry tagelang nichts findet, ist das für uns sehr erfreulich, für ihn aber demotivierend. Jedes Spiel muss mit einem Erfolgserlebnis enden, sonst verliert er die Lust.“ Als weiteres Zugeständnis an Berrys Spieltrieb wird nach jeder Durchsuchung zwei Stunden pausiert, und wenn der Rüde gar keine Lust hat, braucht er nicht in den Einsatz.

Das Konzept der Artenschutzspürhunde stammt von den Umweltschutzorganisationen WWF und „Traffic“. Rasse und Geschlecht der Hunde sind dabei nebensächlich, eine gute Nase haben ohnehin fast alle. Viel entscheidender sind daher Charakter und Gesundheit. „Das Hauptkriterium ist der Spieltrieb. Wenn man mit dem Hund zwei Stunden lang durch den Garten toben kann, ist er genau richtig“, sagt Thomas Gartsch, Pressesprecher des Hauptzollamts Itzehoe. Mindestens ein und höchstens zwei Jahre alt darf der Hund sein, besonders beliebt sind deshalb Scheidungshunde oder Tiere aus dem Tierheim.

„Auch eine Ausbildung in einer Hundeschule ist eher hinderlich, weil wir die Hunde auf unsere Kommandos ausbilden müssen“, sagt Gartsch. Ist das richtige Tier gefunden, folgen acht Wochen Probezeit beim künftigen Hundeführer. Harmonieren beide gut, beginnt die 15-wöchige Ausbildung zum Artenschutzspürhund an der Hundeschule des Zolls.

Berry aus Hamburg hat sogar eine doppelte Ausbildung. Denn bei seinem Dienstantritt 2005 war die Vogelgrippe ein großes Thema, und deshalb wurde er auch auf das Aufspüren von Erzeugnissen tierischen Ursprungs ausgebildet. Von Milchprodukten über Fleischsorten und Kaviar bis zu Elefanten, Schlangen und Echsen erschnüffelt Berry alles und lässt sich dabei nicht austricksen. „Es gibt ja Gerüchte, man könnte Spürhunde mit Kaffeepulver oder ähnlichen Gerüchen überlisten, aber das ist Humbug“, sagt Gartsch.

Um wirklich zu verstehen, warum seine Arbeit als vierbeiniger Artenschützer so wichtig ist, lohnt sich ein Blick auf die Fundstücke. Von den beschnüffelten 3.200 Koffern pro Monat werden – je nach Urlaubszeit – zehn bis 20 Stück aufgegriffen. Viele der Funde seien verhältnismäßig harmlos, sagt Gartsch. „Viele Urlauber bringen Korallen, Muscheln und Schneckenhäuser aus dem Urlaub mit. Auch wenn man die am Strand findet oder der nette Verkäufer auf dem Basar nichts von Zollproblemen erzählt, ist die Einfuhr wegen des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES verboten.“ Oft sind es auch Taschen aus Krokodilleder, Schmuck aus Elfenbein, Schuhe aus Schlangenleder – oder Wolfsfelle als Bettvorleger.

Doch es sind längst nicht nur sehr naive oder modisch-skrupellose Touristen, die am Hamburger Flughafen gestoppt werden. Denn fast 14 Milliarden Euro jährlich werden inzwischen durch den illegalen Handel mit exotischen Tieren und Pflanzen verdient, so die Schätzung von Interpol. Grund dafür sind die hohen Gewinnspannen, die geschützte Arten neben Drogen und Waffen zur lukrativsten Schmuggelware überhaupt machen.

Auch Hundeführerin Silvia Tillschneider begegnen solche Tierhändler. „Vor einiger Zeit hatten wir einen Koffer mit Schildkröten, die mit Panzerband aneinander geklebt waren. Die Gewinne sind hoch genug, um den Tod einiger Tiere skrupellos in Kauf zu nehmen“, sagt die 32-Jährige. Im März stoppte der Hamburger Zoll einen Mann, der einen seltenen Falken in einer Plastikbox transportierte.

Doch selbst wenn der Weg auf den Schwarzmarkt oder ins heimische Terrarium verhindert werden kann, ist nicht sicher, dass die Tiere überleben. „Wenn wir sie aufgespürt haben, kommen die Tiere zur Quarantäne und zum Aufpäppeln in den Tierpark Hagenbeck. Leider überleben die meisten trotz aller Fürsorge nicht“, sagt Tillschneider und blickt auf den Ankunftsplan in ihrem Büro. Mit Rot sind dort die Flüge für die täglichen Stichproben markiert. Heute wird Berry noch Gepäck aus Osteuropa, Südamerika und Asien beschnüffeln – alles Flüge mit einem hohen Schmuggel-Risiko.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.