Asylbewerber in Bremen: Flüchtlinge sollen draußen bleiben

Eine geplantes Asylheim sorgt in Bremens Stadtteil Ostertor für Diskussionen. Flüchtlinge seien willkommen, sagen Anwohner. Woanders sei es aber besser für sie.

Riss im Idyll: Bremer Häuser des links-alternativen Bürgertums gegenüber der Asyl-Unterkunft. Bild: Michael Bahlo

BREMEN taz | Seit in Bremens links-alternativem Stadtteil Ostertor eine Sammelunterkunft entstehen soll, ist die politische Welt in der Stadt verdreht. Da pocht die CDU darauf, zum Wohl der AsylbewerberInnen eine möglichst dezentrale Unterbringung in eigenen Wohnungen anzustreben – eine Forderung, mit der sich FlüchtlingsaktivistInnen jahrelang die Zähne ausbissen.

Die Linkspartei betont, wie notwendig diese Sammelunterbringung ist, für deren prinzipielle Abschaffung sie eigentlich eintritt. Und SPD und Grüne, die Regierungsparteien, mieten den Wohnblock für zehn Jahre an, obwohl sie im April beschlossen haben, Sammelunterkünfte abzuschaffen. Am Montagabend nun hat der Stadtteil-Beirat „Mitte“ dem neuen Asylheim im Viertel zugestimmt – nach reger Debatte.

Mit Bioläden, Latte Macchiato-Lounges und ehemals besetzten Häusern gilt „das Viertel“, wie es in Bremen heißt, als Szene-Perle. StudentInnen, LehrerInnen und AkademikerInnen haben es sich hier eingerichtet. 60 AsylbewerberInnen sollen nun hinzukommen, in einem Übergangswohnheim in der Eduard-Grunow-Straße.

Das "Viertel", wie die Bremer Stadtteile Steintor und Ostertor in Bremen genannt werden, liegt in der Innenstadt, am Rand der Weser. Bioläden, Kulturzentren und Kneipen reihen sich in den kleinen Gassen.

Viele der Stuck-verzierten Altbremer Häuser waren einst besetzt, sind aber längst durch Genossenschaften finanziert.

Stärkste Kraft waren bei den letzten Wahlen die Grünen. Man ist ein bisschen stolz auf die autonome Szene, die auf der zentralen Sielwall-Kreuzung regelmäßig für Ärger sorgt und die die Alt-68er an ihre eigene Vergangenheit erinnert.

In den Siebzigern wehrten sich die AnwohnerInnen gegen eine Stadtautobahn.

Anfang der 1980er Jahre kam es am nahen Weser-Stadion zu schweren Krawallen gegen ein Bundeswehr-Gelöbnis, von denen viele noch heute erzählen.

Gegen Flüchtlinge hätten sie nichts, das wurde von den 150 NachbarInnen auf der Beiratssitzung oft betont. Da gebe es kein Aber. Aber: Einmal seien dem Enkel einer Anwohnerin von einem „Schwarzafrikaner“ Drogen angeboten worden. Einen anderen Nachbarn sorgte, dass die Flüchtlinge sich womöglich draußen aufhielten, es somit zu Ruhestörungen kommen könnte.

„Hart am Rande des Zynismus“

Der Saal des Concordia-Theaters, in den die Sitzung verlegt wurde, war brechend voll. Belastet sei der betreffende Teil des Viertels schon genug, wegen der Nähe zum Bahnhof und seiner Diskomeile. „Für die Leute, die jetzt kommen“, sei das „nicht die richtige Gegend“, sagte ein Anwohner.

Ganz schlimm könnte es werden, wenn wegen des Asylheims Fremdenfeindlichkeit in den linken Stadtteil Einzug hielte, gab eine Nachbarin zu bedenken. Dem grünen Beiratsmitglied Henrike Müller platzte der Kragen: Mit der Angst vor fremdenfeindlichen Aktionen zu argumentieren, sei „hart am Rande des Zynismus“.

Alt-Linke, Öko-LehrerInnen und linke Professoren wie der Pädagoge Johannes Beck warteten mit einer Liste von tatsächlichen Verbesserungsvorschlägen zum „Wohl der Flüchtlinge“ auf: Heimleitung und Hausmeister sollten mit in dem Haus wohnen, innen genügend große Räume für gemeinsame Aktivitäten eingeplant werden, der Radweg und die viel befahrene Straße seien eine Gefahr für die Kinder.

In einer Debatte jedoch, in der die Flüchtlinge vor allem als mögliche Ruhestörer und soziale Problemfälle für Angst sorgten, bekamen die bestgemeinten Argumente zumindestens einen seltsamen Beigeschmack.

Diskriminierte Roma

Auch, weil das Haus vorher ein Hostel werden sollte. „Das hätte niemals eine solche Diskussion nach sich gezogen“, sagte Horst Frehe, grüner Staatsrat im Sozialressort. Gerade die vorangeschrittenen Hotel-Umbauten machen die Immobilie für sein Ressort attraktiv: 32 Zimmer mit Dusche und WC, für jeweils ein bis zwei Personen.

Die ersten Flüchtlinge sollen im Februar 2013 in der Sammelunterkunft einziehen. Zwar hat die Bürgerschaft im April 2012 beschlossen, Flüchtlinge fortan möglichst in eigenen Wohnungen unterzubringen. Doch der Wohnungsmarkt in Bremen ist angespannt, die vier Übergangswohnheime voll belegt. Etwa 600 Menschen leben dort, meist am Rande der Stadt, für mindestens ein Jahr. Zelte wie in Hamburg will das grün geführte Sozialressort vermeiden.

„Die Menschen flüchten aus Syrien, Afghanistan, dem Irak“, erklärte Karl Bronke, Abteilungsleiter im Sozialressort. Auch aus Serbien und Montenegro kämen die Menschen. „Hauptsächlich sind es Roma, die in ihrer Heimat diskriminiert und verfolgt werden.“ In den Tagen zuvor kursierten Schreiben, die sich gegen vermeintliche „Wirtschaftsflüchtlinge“ wendeten.

Auch der Vermieter eines Nachbarhauses war im Saal. Er hatte eine Mail verfasst: Der Wohnblock in der Stadt sei schwierig zu überwachen, heißt es da. „Lager am Rande der Stadt haben schon ihren Sinn.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.