Asylbewerber zündet sich an: Angst vor der Abschiebung

Ein Asylbewerber aus dem Landkreis Emsland hat sich mit Benzin übergossen und angezündet. Am Montag sollte er abgeschoben werden.

Zurück ins Erstaufnahmeland: Das hätte auch dem Mann gedroht, der sich angezündet hat. Bild: dpa

HAMBURG taz | Ein Asylbewerber aus dem Landkreis Emsland hat sich am Samstagabend vor dem Parkplatz eines Supermarktes in Lingen selbst angezündet. Er sollte am Montag abgeschoben werden. Lokale Flüchtlingsorganisationen kritisieren den hohen psychischen Druck, der auf Flüchtlingen im Asylverfahren lastet.

Laut Polizei übergoss der 36-jährige Marokkaner seine Hosenbeine mit Benzin und rief dann mit seinem Handy den Notruf und kündigte seinen Suizid an. Dann habe sich der Mann mit einem Feuerzeug angezündet. Passanten rissen den Mann zu Boden und versuchten, das Feuer zu löschen.

Erst die herbeigerufenen Polizisten erstickten die Flammen jedoch mit einem Feuerlöscher. Der Asylbewerber wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik in Gelsenkirchen geflogen, schwebt laut einem Polizeisprecher aber noch immer in Lebensgefahr. Rund 25 Prozent seiner Haut seien verbrannt.

In seinem Zimmer in einer Flüchtlingswohnung in Geeste fanden die Beamten einen handgeschriebenen Zettel. Der Marokkaner kündigte darin auf deutsch sein Vorhaben an. „Es steht aber nichts über das Motiv darin“, sagte der Sprecher.

Laut Auswärtigem Amt ist Marokko "ein vergleichsweise politisch stabiles Land mit guter touristischer und sicherheitspolitischer Infrastruktur". Dennoch gebe es "Gefahrenelemente", wie terroristische Anschläge.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschied im Jahr 2014 über die Asylanträge von 1.195 MarokkanerInnen - nur ein Prozent wurde bewilligt.

Der Flüchtlingsrat Hamburg vermutet als Hauptgründe für die Flucht aus Marokko Armut und politische Repression, da die Meinungsfreiheit eingeschränkt sei.

Der Marokkaner lebte seit September 2014 in Deutschland und sollte nun in sein EU-Erstaufnahmeland Bulgarien überwiesen werden. Ob ihm die Abschiebung droht, falls er wieder gesund wird, wollte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Montag nicht sagen.

Rund 50 Menschen versammelten sich am Sonntag spontan in Lingen, um ihre Solidarität zu zeigen. „Schon das Wort Abschiebung löst bei Flüchtlingen ein Angstgefühl aus“, sagt Martin Evers vom antirassistischen Bündnis Grenzenlos. Das Asylverfahren bedeute eine ständige psychische Belastung. Für Markus Riegelt von der Initiative No Lager Osnabrück ist psychologische Unterstützung für Flüchtlinge deshalb ebenso wichtig wie eine humane Unterbringung.

„Manche gehen am Warten zugrunde“, sagt er. Der Fall in Lingen zeige zudem, dass einige Flüchtlinge lieber hier in der Öffentlichkeit sterben wollten, als abgeschoben zu werden.

Auch der Lingener Oberbürgermeister Dieter Krone (parteilos) zeigte sich erschüttert – allerdings nicht nur von dem Vorfall, sondern auch von den Reaktionen darauf. Viele Lingener setzten sich für die Integration von Flüchtlingen ein, sagte er.

„Umso mehr macht es mich betroffen, dass in einigen Facebook-Gruppen teilweise rassistische und menschenverachtende Kommentare zu dieser Tragödie zu lesen waren“, so Krone. Es sei erschreckend, dass der Asylbewerber keinen anderen Ausweg mehr gesehen habe.

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