Asylbewerberheim in Hellersdorf: Ein Bezirk ringt um sein Image

Nach der Eskalation eines Infoabends zu einem Flüchtlingsheim versucht der Bezirk Hellersdorf zu beruhigen. Die NPD mobilisiert für Samstag erneut.

Das geplante Flüchtlingswohnheim in Marzahn-Hellersdorf Bild: dpa

Plattenbauten, so weit das Auge reicht. Keine Kneipen, kein Spätkauf, kaum Menschen auf der Straße an diesem Donnerstagmittag in Hellersdorf. Und die, die auf der Straße sind, fahren mit dem Auto.

Auch die „Schule am Rosenhein“ ist ein zweistöckiger, schmuckloser Plattenbau. Auf dem kleinen Platz zwischen Haupteingang und Basketballfeld gab es am Dienstag auf einer Anwohnerversammlung lautstarke Kritik an den Plänen, ein leerstehendes Schulgebäude in der Nähe in ein Flüchtlingsheim umzubauen. Das Wort von der Pogromstimmung machte die Runde. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) äußerten sich schockiert.

Marzahn-Hellersdorfs Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) versucht nun, zu beruhigen: „Die Menschen im Bezirk bekennen sich zum Grundrecht auf Asyl“, sagte er am Donnerstag. Die Störungen bei der Veranstaltung seien „von aus ganz Berlin und Brandenburg angereisten Rechtsextremen“ ausgegangen – und die fremdenfeindlichen Äußerungen hätten „zahlreiche Besucher der Veranstaltung empört.“

Der Piraten-Fraktionsvorsitzende Oliver Höffinghoff kritisiert Komoß. Wie der versuche, im Nachhinein „die Veranstaltung zu verharmlosen und das Problem schönzureden, ist skandalös. Es waren keineswegs nur die angereisten Neonazis, die offen rassistisch aufgetreten sind.“

Doch wie tolerant ist Hellersdorf wirklich? Vor Ort scheint zunächst alles ruhig zu sein. Der Anwohner Dieter Settnik schiebt einen Einkaufswagen mit dem Wocheneinkauf über den Parkplatz. „Wenn dort mehrere hundert Asylbewerber auf einem Haufen leben, muss es doch zu Problemen kommen“, sagt er. Er sei dafür, die Flüchtlinge stärker zu verteilen: „In jeden Block hier sollte höchstens eine Familie rein.“ So seien es zu viele.

Ein anderer befürchtet die Verschwendung von Steuermitteln: „Ich halte nichts davon, mit so viel Geld die Schule für diese Asylanten umzubauen. Wir haben hier genug Probleme, für die kein Geld da ist“, sagt Pascal Brembach.

Aber es gibt auch andere Stimmen: Der Rentner Falk Simons etwa sagt, man hätte die Nazis gleich wegschicken müssen. „Ich schäme mich, zu sagen, dass ich Hellersdorfer bin.“ Auch eine zierliche rothaarige Frau Mitte 40 sagt: „Hoffentlich gibt es auch mal einen Tag der offenen Tür, wenn die Flüchtlinge dort eingezogen sind.“ Die Linkspartei Marzahn-Hellersdorf solidarisierte sich mit den Flüchtlingen. „Wir stehen an der Seite von Menschen, die Hilfe suchen.“ Auch in Marzahn-Hellersdorf sollen Flüchtlinge etwa aus Syrien „eine menschenwürdige Unterkunft finden“, hieß es.

Die NPD plant unterdessen weitere Provokationen. Nach ersten Informationen der taz wollen die Rechtsextremen am Samstag an fünf Standorten in der ganzen Stadt rassistische Kundgebungen abhalten. Der Auftakt soll um 9.45 Uhr am Flüchtlingscamp am Kreuzberger Oranienplatz sein. Außerdem mobilisiert die Partei nach taz-Informationen an weitere Orte, in deren Nähe es Flüchtlingseinrichtungen gibt: Zum Alice-Salomon-Platz in Marzahn, zum Wilhelmsruher Damm in Reinickendorf, zur Motardstraße in Spandau und zur Marienfelder Allee in Tempelhof.

Die Polizei bestätigte am Donnerstag lediglich, dass die NPD fünf Kungebungen angemeldet hat. Zu Zeit, Ort und Inhalt machte der Polizeisprecher jedoch keine Angaben. Die Verhandlungen mit der NPD über die geplanten Kundgebungen dauerten an, begründete er sein Schweigen.

Der für die Verteilung der Flüchtlinge zuständige Chef des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, Franz Allert, sagte, alle Einrichtungen würden nun prophylaktisch gewarnt. Am Freitag werde er mit der Polizei konkrete Sicherheitsmaßnahmen besprechen, kündigte Allert an. Auch der Wachschutz werde gegebenfalls verstärkt. Das Bündnis der Berliner Flüchtlingsinitiativen ruft am Samstag um 9 Uhr zu Gegenprotesten vor dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz auf. Weitere Aktionen sollen dort besprochen werden.

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