Asylverfahren in Deutschland: Wie am Fließband

Die Bundesregierung will die Asylverfahren beschleunigen. Dafür rekrutiert man sogar bei der Bundeswehr. Experten befürchten: mehr Eile, mehr Willkür.

Bald geht's schneller: Asylbewerber in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Berlin Bild: dpa

BERLIN taz | Rund ein halbes Jahr dauert ein durchschnittliches Asylverfahren in Deutschland derzeit – drei Monate weniger als im Vergleich zum Vorjahr. Aber diese Zahl an sich sagt nur wenig aus. Denn wie lange ein Asylbewerber auf eine Entscheidung warten muss, hängt stark von seinem Herkunftsland ab.

Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan, Irak und Somalia müssen derzeit bis zu eineinhalb Jahren warten. Dafür werden die meisten von ihnen am Ende anerkannt, die Quoten liegen zwischen 50 und 67 Prozent. Auch minderjährige Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern in Deutschland gelandet sind, müssen sich mindestens ein Jahr lang gedulden.

Roma aus Serbien und Mazedonien dagegen werden seit geraumer Zeit im Schnellverfahren abgefertigt und halten meist schon nach zwei Monaten einen Ablehnungsbescheid in der Hand. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei hervor, die regelmäßig die Details der aktuellen Asylstatistik abfragt.

Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, alle Asylverfahren im Schnitt auf maximal drei Monate zu verkürzen. „Wir werden das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge personell ausreichend ausstatten, damit angesichts steigender Asylbewerberzahlen zügige und rechtsstaatliche Asylverfahren gewährleistet sind“, heißt es dazu in dem Papier. Auf diese Zusage zusätzlicher Mittel hatte die SPD gedrungen.

Zugleich konnte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sich mit seiner Forderung durchsetzen, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien sowie Serbien als „sichere Herkunftsstaaten“ zu deklarieren – „um aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können“, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

Diskriminierung von Roma ignoriert

Flüchtlingsverbände wie Pro Asyl sind davon wenig begeistert: „Die Diskriminierung von Roma ist in diesen Ländern in vielen Fällen so umfassend, dass den Betroffenen der Zugang zu Arbeit, zu medizinischer Versorgung, zu regulären Wohnungen und oft gar zu sauberem Trinkwasser verwehrt bleibt“, erklärt die Organisation. Sie verweist darauf, dass in Belgien oder der Schweiz zuletzt über 10 Prozent der Roma aus den Ländern des westlichen Balkan als Flüchtlinge anerkannt worden seien. Dass ihre Anträge hierzulande schon jetzt im Fließbandmodus abgelehnt werden, sei Willkür.

Auch die Linkspartei findet, die Anträge von Roma aus diesen Ländern müssten „aufgrund ihrer umfassenden Diskriminierung und Ausgrenzung eigentlich besonders sorgfältig“ geprüft werden, so die Asyl-Expertin und Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. Jelpke stört sich auch daran, dass derjenige Beamte, der den Fall eines Flüchtlings prüft, immer seltener identisch ist mit dem, der über seinen Asylantrag entscheidet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte gegenüber der taz, man halte an dem Grundsatz fest, „dass Anhörung und Entscheidung nicht personell getrennt sind“.

Doch die Bundesregierung räumt ein: „Vor dem Hintergrund der steigenden Asylantragszahlen kann dies jedoch nicht in jedem Fall gewährleistet werden.“ Wie oft das passiere, werde aber „statistisch nicht erhoben“. Der Frankfurter Rechtsanwalt Reinhard Marx ist skeptisch: „Aus meiner eigenen Erfahrung und Gesprächen mit Kollegen habe ich den Eindruck, dass das heute eher die Ausnahme ist. Es wäre billig, das zu leugnen“, sagte er der taz. „Das ist rechtlich höchst bedenklich und bürgt nicht für sorgfältige Entscheidungen“, kritisiert Jelpke.

Mehr als 87.000 Menschen haben in diesem Jahr beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg einen Antrag auf Asyl gestellt. Das sind rund 74 Prozent mehr als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr. Nun sollen sogar Soldaten die Behörde unterstützen. Die Bundeswehr sucht per Rundschreiben nach Freiwilligen, die dafür kurzfristig von ihrem derzeitigen Posten abgezogen werden können. „Die Bundeswehrmitarbeiter sollen nur die Verwaltung unterstützen, also etwa Dokumente prüfen, aber nicht selbst über Asylanträge entscheiden“, stellte eine Sprecherin des Bundesamts gegenüber der taz klar.

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