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Atomare EndlagersucheZum Glück ohne Politik

Bernward Janzing

Kommentar von

Bernward Janzing

Erfreulich wissenschaftlich wird die derzeitige Suche nach einem Endlager betrieben. Die Probleme kommen erst dann, wenn es politisch wird.

Gorleben-Treck 1979, Demonstration gegen geplante Atomanlagen bei Gorleben: Wird die Anti-AKW-Bewegung wieder aufleben? Foto: Friedrich Stark/imago

E s ist die Ruhe vor dem Sturm – denn Politik spielt noch keine Rolle. Im Prozess um die Auswahl des künftigen Standorts für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle geht es bislang allein um die Wissenschaft. Das ist die wohltuende Lehre aus der verkorksten Entscheidung für Gorleben, die 1977 stark politisch geprägt war, aber kaum fachlich. Gorleben war „Zonenrandgebiet“ zur DDR, dünn besiedelt – es waren solche Überlegungen, die im Vordergrund standen. Diese Hemdsärmeligkeit geriet der Politik zum Fiasko.

Mit dem Standortauswahlgesetz von 2017 geht man jetzt den gegenteiligen Weg. Man schaut nicht auf politische Grenzen, speziell nicht auf jene der Bundesländer. Es geht allein um die Geologie. So definiert das Gesetz beispielsweise Grenzen für die „Permeabilität des Gebirges“ und schließt bestimmte „Zerrüttungszonen mit tektonischer Entstehung“ aus. Das Gesetz ist streckenweise eher etwas für Geologen als für Juristen; das Plädoyer „Folgt der Wissenschaft!“ wird hier beispielhaft umgesetzt.

Doch es wird eine andere Phase kommen. Dann nämlich, wenn Ende 2027, so das Ziel, einige potenzielle Standortregionen definiert sind. Nachdem die Eingrenzung der Flächen bisher allein auf Basis verfügbarer Geodaten geschieht, wird dann die Erkundung mittels Bohrungen beginnen. Wie die Politik auf Bundesebene, auf Landesebene und in den Kommunen dann mitspielen wird, kann heute niemand absehen. Schließlich signalisierte zum Beispiel Bayern schon Ablehnung.

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Das Suchverfahren wird also seine gesellschaftspolitische Dynamik erst noch entfalten, und zwar in dem Maße, wie der Standort sich konkretisiert. Dann stellen sich Fragen: Wird die Anti-AKW-Bewegung wieder aufleben? Wie werden Gerichte das Verfahren prägen, denn Klagen dürften sicher sein. Wie werden Akteure, die jahrelang der Atomkraft das Wort geredet haben, reagieren, sobald ihre Region auserkoren wird? So durchdacht und besonnen das Auswahlverfahren derzeit abläuft – die Konflikte durch die Altlasten aus der Ära des Atomstroms stehen erst bevor.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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2 Kommentare

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  • Was wie Wissenschaft daherkommt, ist nur ein Trick der Politik, sich vor unpopulären Entscheidungen zu drücken.

    Gestern wurde im Radio darauf hingewiesen, dass das Endlager 2070, frühestens 2050 gefunden sein wird. Bis dahin sind alle weg, die heute Verantwortung tragen.

    Unterm Strich ist das ganze Verfahren ein Witz. Wir brauchen das Endlager jetzt. Nicht in Jahrzehnten. Gorleben ist vielleicht nicht ideal, aber geeignet. Also baut das Ding und schiebt die Verantwortung nicht auf kommende Generationen.

  • Alles andere als ein Standort bei uns im Osten wäre eine Riesenüberraschung. Natürlich ausgesucht nur nach strengsten wissenschaftlichen Kriterien.